Alle diese Leistungen in der Erforschung der Lotlinienschwan-
kungen und Bodenbewegungen werden an Feinheit sowohl, als an
Mannigfaltigkeit der Ergebnisse übertroffen durch die von dem deutschen
Astronomen E. v. REBEUR-Paschwırz seit 10 Jahren mit Hilfe des
Horizontalpendels erhobenen Thatsachen, welche für die Vorstellungen
vom Zustande unserer Erdkruste von grösster Bedeutung sind und
mit der Zeit auch über das unbekannte Erdinnere wichtige Auf-
schlüsse zu liefern versprechen *.
Das Horizontalpendel hat sich zum dritten Male mit einem
tragischen Menschengeschick verknüpft. Sein erster Erfinder vom
Jahre 1830, der oberschwäbische Theologe L. HEnGLER, gestorben
1858 als Pfarrer zu Tigerfeld, den als Jüngling Begabung und Be-
geisterung in seltenem Masse zur Astronomie hingezogen hatten, ist
in der Entbehrung aller wissenschaftlichen Hilfsmittel im Alter von
52 Jahren gestorben, ein späterer Erfinder, der Leipziger Professor
ZÖLLNER, ist das geistige Opfer eines Betrugs und einer grossen wissen-
schaftlichen Verirrung' geworden, REBEUuR-Paschwıtz endlich, der dem
Instrumente die bis dahin höchste technische Vollendung gegeben hat
und dessen Ausdauer und Aufopferung wir die im Nachfolgenden zu
besprechenden wichtigen Versuchsergebnisse verdanken, musste, ein
Opfer der Tuberkulose, seine verdienstvollen Versuche schon nach wenig
Jahren beschliessen, er starb, 34 Jahre alt, am 1. Okt. 1895 zu Merse-
burg, mitten in seiner rastlosen Thätigkeit, die er als geistiger Mittel-
punkt der Erdbebenforschung aller Länder zu entfalten angefangen
hatte. Nach vorbereitenden Versuchen auf der Karlsruher Sternwarte
machte er seine wichtigen Horizontalpendelbeobachtungen mit Unter-
stützung der K. preussischen Akademie der Wissenschaften in den
Jahren 1889—1892 auf den Observatorien zu Wilhelmshaven und
Potsdam, sowie in Puerto Orotava auf Teneriffa, und alsdann in den
Jahren 1892—1894 auf der Strassburger Sternwarte. Hieran reihen
sich die Beobachtungen, welche mit einem REBEUR’schen Instrumente
auf der russischen Marinesternwarte Nikolajew von Prof. KorTAzzı
gemacht werden und die seit RzsBEur’s Tode von Dr. EuLert* in
Strassburg fortgesetzten Beobachtungen.
1 Vergl. darüber die Hauptabhandlung von Rebeur-Paschwitz in
Gerland, Beiträge zur Geophysik Bd. II S. 211—536 und das Verzeichnis
seiner verschiedenen Veröffentlichungen ebenda Bd. III S. 16—18.
? Vergl. R. Ehlert, Horizontalpendelbeobachtungen im Meridian zu
Strassburg i. E., April bis Winter 1895. Gerland, Beiträge zur Geophysik
Bd. IIT.
339