Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

nächsten Ursachen der Pendelschrift sind entweder Bewegungen des 
Bodens oder Veränderungen der auf das Pendel wirkenden Kräfte. 
Die ersteren, die Bodenbewegungen, sind entweder Vertikalbewegungen 
oder Horizontalbewegungen oder Neigungsänderungen. Die Kraft- 
änderungen sind entweder verursacht durch unbekannte Verände- 
rungen unter der Erde, welche Änderungen der Lotlinienrichtung 
erzeugen könnten, oder durch die Veränderungen auf der Erde, z. B. 
die mit den Erscheinungen der Meeresflut verbundenen täglichen 
und halbtägigen Massenverlegungen oder durch Änderungen ausser- 
halb der Erde in den Anziehungen von Sonne und Mond je nach 
deren Stand am Himmel. Welchen dieser nächsten Ursachen sind 
nun die einzelnen Elemente der Pendelschrift zuzuschreiben? Es 
sollen hier nur einige der wichtigsten dieser Fragen nach den nächsten 
Ursachen und ihr Zusammenhang mit den ferneren Ursachen berührt 
werden. 
Die Bewegungen des Erdbodens werden nicht alle gleicherweise 
das Pendel in Mitbewegung versetzen, z. B. vertikale Bewegungen 
werden als solche den um beinah vertikale Achse drehbaren Apparat 
nicht bewegen, sie thun es nur dann, wenn sie von Schiefstellungen 
des Bodens begleitet sind, wenn sie eine fortschreitende Welle von 
vertikalen Bewegungen bilden derart, dass die Bodenoberfläche Wellen- 
gestalt annimmt und wie ein von einer Meereswoge durchzogener 
Wasserspiegel gegen die horizontale Richtung hin und her schwankt. 
In solchem Falle misst das Pendel aber nur die Neigungsänderung 
des Bodens, nicht die vertikale Bewegung selbst. Horizontale Be- 
wegungen des Bodens anderseits, falls sie in Richtung der Pendel- 
ebene verlaufen, also beim Strassburger Pendel ostwestlich, werden 
das Pendel nicht beeinflussen, sie thun es nur, soweit sie eine nord- 
südliche Komponente besitzen, dann aber in zweierlei Art‘: Das 
Pendel bleibt infolge des Beharrungsvermögens seiner Masse hinter 
der Bewegung des Bodens zurück, einer kurzen Hinundherbewegung 
des Bodens entspricht eine scheinbare Herundhinbewegung des Pendels, 
das thatsächlich seine Ruhe zu behaupten sucht. Bei etwas länger 
dauernder Bewegung des Bodens aber in der einen Richtung folgt 
das Pendel einem Teile der Bodenbewegung und sein Ausschlag 
wird um so stärker, je grösser die horizontale Beschleunigung der 
Bodenbewegung ist. Wenn wir nun z. B. die Spuren eines Erd- 
1 Vergl. darüber A. Schmidt, Die Aberration der Lotlinie. Gerland’s 
Beiträge zur Geophysik Bd. ILL. 1—15, 
035
	        
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