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sagt schon die heilige Schrift. Horaz berichtet Unglaubliches von
ihnen, PyrmAGoraAs bringt sie mit der Seelenwanderung in Zusammen-
hang. Für jedermann bieten die Ameisen wegen ihrer eigentümlichen
socialen Eigenschaften, die Ähnlichkeit mit Vorgängen im Menschen-
leben haben, Interessantes dar. Namentlich Prof. Foren hat sich viel
mit dem Ameisenleben beschäftigt und ihnen hohe psychische Eigen-
schaften beigelegt. In den letzten Jahren sind aber auch andere An-
sichten durch Bern aufgestellt worden, wonach diesen Insekten ein
psychisches Empfinden gar nicht zukomme, sondern bei ihnen alles‘ als
Reflexthätigkeit aufzufassen sei; er nennt sie deshalb Reflexauto-
maten. Sein Hauptgegner erstand ihm in dem gelehrten Jesuiten-
pater WAsmAnx-Luxemburg, der seit mehr als 20 Jahren das Leben
der Ameisen beobachtet und hierüber gegen 70 Schriften und Aufsätze
herausgegeben hat. WAsmMmAnn bestreitet durchaus, dass die Vorgänge
im Leben der Ameisen nur mechanischer Natur seien, sondern schreibt
ihnen Instinkt im weitesten Sinne zu. Auf eine Erörterung dieser
feinen Unterschiede in der Tierpsychologie und -Physiologie geht je-
doch der Vortragende nicht ein. — Ameisen sind Staatenbildner ; wie
verständigen sich die vielen 100000 Bürger eines solchen Staates?
Dass dies geschieht ist vorauszusetzen nach‘ ihrem gemeinsamen Vor-
gehen und den dabei beobachteten Regeln. Bei den Bienen z. B. ist
zweifellos eine lautliche Aussprache vorhanden, bei den Ameisen eine
Tastsprache, sie klopfen und fühlen einander an. — Wie erkennen sich
die einzelnen Tiere eines Haufens? BzrTaE hat hierüber Experimente
angestellt, indem er Ameisen eines Haufens im Extrakte von: solchen
eines feindlichen Volkes badete und sie dann gegenseitig zusammen-
brachte. Die feindlichen Ameisen, die sich vorher zerrissen, nahmen
sich nach dem Baden und der Verwechselung gegenseitig gut auf, aber
nach 2—3 Stunden zerrissen sie sich auch wieder. Ähnliche Experi-
mente wurden mit Eau de Cologne gemacht, das den specifischen
Ameisengeruch zeitweise verdrängt. Auch der Engländer Lusz0ocK hat
durch Betrunkenmachen von Ameisen ähnliche Resultate erzielt, es ist
somit ein specifischer Nestgeruch vorhanden. — Bei den Ameisen
sind zu unterscheiden: die gut entwickelten weiblichen und männlichen
Individuen und die unentwickelten Arbeiter. Die Waldameise hat eine
Grösse von 8-—14 mm, die kleineren sind zur Arbeit, die grösseren
zum Kampfe bestimmt. Bei den tropischen kommt noch die weitere
Kaste der Soldaten dazu mit sehr kräftigen Kinnladen; bei einem ge-
fundenen Tiere zerschneiden die ersten das Tier, die zweiten tragen
die Beute ins Nest, und die dritten gehen als Wächter nebenher. —
Die Nestbauten der Ameisen sind ausserordentlich verschieden und von
verschiedenem Material. Bei uns bauen alle Ameisen Nester, in den
Tropen die Wanderameisen keine, weil sie Räuber sind. Nach ForEu
sind die Nester ober- oder unterirdisch. Die gewöhnliche Ameise
(Formica fusca) baut ihre Wohnung unter der Erde, das Material wird
gleichmässig oberhalb ausgestreut. KFormica delatius niger baut unter
der Erde und oberhalb Türme. In den Tropen nehmen die Nester bis
zu 15 am Fläche ‚unterirdisch ein, die einzelnen Zellen sind oft 30 bis