Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 62, 1906)

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artig breitgedrückt erscheint. Europa besitzt in den Mittelmeerländern 
nur drei Vertreter dieser Zunft (aus dem Genus Zmpusa), die übrigen 
gehören Afrika und den wärmeren Ländern Asiens an. Mit ihren nahen 
Verwandten, den Blattiden, sind sie als die ältesten bekannten Insekten 
zu bezeichnen, wurde ja doch ein Vertreter der Zunft, die Lithomantis 
carbonaria, schon in der Kohlenformation Englands aufgefunden. 
Sämtliche Mantiden besitzen die in der Ruhe eigentümlich erhobenen 
Vorderbeine, die Anlaß zu Benennungen wie GFottesanbeterin, Mantis 
religiosa, pröcheur, louvadios geben, mit denen aber ihre Natur sehr 
in Widerspruch steht. Es sind gefräßige Raubtiere, die mit ihren 
großen Augen auf freibeweglichem Kopfe nach allen Richtungen Um- 
schau halten können und sich von anderen Insekten, aber auch von 
kleinen Vögeln, Eidechsen und Fröschen .nähren, Daß sie auch ihre 
eigenen Genossen auffressen, und daß namentlich das schwächere g 
von dem viel kräftigeren Q nach der Begattung aufgefressen wird, 
ist eine vielfach beobachtete Tatsache. Die Kraft, die sie in ihren 
Raubbeinen (Vorderbeinen) besitzen, ist sehr groß; angegriffen wehren 
sie sich mit denselben heftig und ritzen die Finger oft blutig. Meist 
von beträchtlicher Größe besitzen viele überaus abenteuerliche Formen 
und schöne Färbung, z. B. bunte Augenflecke auf den Unterflügeln. 
In Form und Farbe ahmen sie die Örtlichkeiten, auf denen sie leben, 
in bewunderungswürdiger Weise nach, wodurch sie sich einerseits 
vor ihren Feinden schützen, anderseits ihre Beute unbemerkt ühber- 
fallen können. 
Ihre Eier werden in eigentümlichen, für die einzelnen Arten 
charakteristischen Haufen an Pflanzen, Steine etc. abgelegt und sind 
mit einer schlammartigen, nach dem Ablegen erhärtenden Masse als 
Schutzhülle umgeben. . 
Sie sind Bewohner der wärmeren Erdstriche und halten sich meist 
auf Pflanzen, insbesondere auf Buschwerk und Bäumen auf, wo sie be- 
hende klettern und von ihren Flügeln Gebrauch machen. Einzelne Arten 
Jeben aber auch auf gänzlich vegetationslosem Gelände, z. B. in der 
Sand- und Steinwüste und zeichnen sich durch große Schnelligkeit im 
Laufen aus, wobei sie das Flugvermögen durch Verkümmerung der Flügel 
verloren haben. 
Nach dem neuen Katalog des British Museum sind gegenwärtig 
850 Arten, die sich auf 210 Genera und 8 Zünfte verteilen, bekannt. 
Nur 20 Arten leben in Europa, von denen Mantis religiosa früher auch 
in Deutschland bei Frankfurt a. M. und bei Freiburg i. Br. vorkam, 
nunmehr aber durch Kultur und vielleicht auch klimatische Veränderungen 
ausgerottet ist, (Krauß.) 
Herr Prof. Dr. Koken legte einige Reste eines riesigen fossilen 
Fisches vor, nach dessen Kiemendeckel und Flossenstacheln auf ein 
Tier von mehreren Metern Länge zu schließen ist. — Herr Professor 
Dr. Blochmann erwähnte einen eigentümlichen Fall von Parasitismus, 
An seit einigen Jahren im zoologischen Institut gezüchteten Stabheu- 
schrecken (Bacillus Rossii) zeigte sich, daß von den als Nahrung dienenden 
Rosenzweigen eine auf diesen vorkommende Schildlaus (Lecanium rosarum)
	        
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