Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 62, 1906)

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meisten Reptilien, den Vögeln und Säugetieren) durch die Veränderung 
der Linsenkrümmung äußern kann. Während nun in den erwähnten 
Fällen das Auge für das Nah- und Fernsehen in jedem einzelnen Falle 
eingestellt werden muß, gibt es bei niederen Tieren Augen, mit denen 
zu gleicher Zeit nahe und ferne Gegenstände wahrgenommen werden 
können. So finden sich z. B. im Stirnange einer Schwirrfliege (Helo- 
philus) unter einer gemeinsamen Linse eine dicht der Linse anliegende 
Netzhaut für das Fernsehen und neben dieser eine von der Linse weiter 
entfernte Netzhaut für das Nahsehen. Im Stirnauge der Libellen (z. B. 
Agrion) liegt nahe der Linse eine Fernnetzhaut und hinter dieser eine 
Nahnetzhaut. Bei marinen Schwimmschnecken (Pferotrachea) sind die 
Licht-perzipierenden Elemente derart angeordnet, daß sie senkrecht zur 
Linse verlaufende Säulen bilden; die der Linse näher liegenden Elemente 
werden nun ferne, die weiter von der Linse entfernten Elemente da- 
gegen nahe Gegenstände wahrnehmen können. Im großen ganzen sind 
jedoch derartige Fälfe von gleichzeitigem Nah- und Fernsehen mit dem- 
selben Auge relativ selten. 
Herr Prof. Dr. Blochmann-Tübingen berichtete über seine Unter- 
suchungen an den „Brachiopoden der deutschen Südpolar- 
expedition“. Die Brachiopoden, welche mit einer einzigen Ausnahme 
im Meere leben, waren in früheren Erdperioden in großer Zahl weit 
verbreitet, wovon die gerade auch in Württemberg so häufig gefundenen 
fossilen Terebrateln der Trias- und Juraformation ein beredtes Zeugnis 
ablegen. In unseren jetzigen Meeren gehören die Brachiopoden dagegen zu 
den wenig verbreiteten Tierformen, sowohl hinsichtlich der Arten- als auch 
der Individuenzahl. Es war deshalb das verhältnismäßig reiche Material 
der deutschen Tiefsee-Expedition („Valdivia“) und Südpolar-Expedition 
(„Gauß“) mit Freude zu begrüßen. Besonders die von der letzteren 
Expedition erbeuteten Brachiopoden verdienen großes Interesse, Sie um- 
fassen ausschließlich neue Formen, deren Untersuchung neben einer 
Reihe von wichtigen Ergebnissen über die Morphologie, Biologie und 
Systematik vor allem auch zur Lösung einiger Fragen über die 
geographische Verbreitung der Tiere beitragen konnte, insbesondere 
auch hinsichtlich der Ursache des Vorkommens ähnlicher, teilweise 
sogar identischer Tierformen in den Regionen des Nord- und Südpols, — 
Um 2 Uhr vereinigte die Teilnehmer ein gemeinschaftliches Mittag- 
essen im „Schwanen“, woran sich die Besichtigung der reichhaltigen 
Sammlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Reutlingen anschloß. 
(Nach „Tübinger Chronik“.)
	        

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