Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 66, 1910)

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bilden müssen, so wie diese durch die speziellen Eigenschaften des 
jeweiligen Wohnortes bedingt sind. 
Noch ein. den Anodonten gegenüber bemerkenswertes Moment 
für die konstanteren Schalencharaktere der Unionen zeigt sich end- 
lich darin, daß bei den letzteren das Geschlecht des Tieres noch weit 
weniger zuverlässig durch die etwa mehr oder minder bauchige 
Schale festgestellt werden kann, wie bei den ersteren. Denn wenn 
dieses Merkmal schon für die Anodonten kein absolut zuverlässiges 
ist, so kann es für die Unionen eigentlich gar nicht in Betracht 
kommen, weil schon die individuellen Unterschiede nach dieser Rich- 
tung hin relativ nur sehr geringfügige sind. 
Wenn nun trotzdem noch eine ziemlich merkliche Variabilität 
unter den Schalenformen von Unionen gleicher Spezies aus ver- 
schiedenen Fundplätzen resultiert, so liegt eben die Ursache dafür 
lediglich in den vorhin genannten speziellen Eigenschaften des be- 
treffenden Wohnortes, denn es ist klar, daß Unionen in rascher 
fließenden Flüssen und Bächen festere und dickere und in der Form 
gedrungenere Schalen produzieren müssen, als solche in träger be- 
weglichen. Schließlich spielt auch der Kalkgehalt des Wassers eine 
nicht zu unterschätzende Rolle in dieser Richtung, läßt aber seiner- 
seits zugleich die Erscheinung, daß Margaritana margaritifera L., 
unsere Flußperlenmuschel, trotzdem sie fast ausschließlich in kalk- 
armen Urgebirgsbächen wohnt, dennoch beinahe immer sehr dicke 
Schalen besitzt, als Kuriosum hervortreten. ; 
Angesichts dieser Betrachtungen dürfte die Angabe Cusssin’s !, 
daß die Variabilität der einheimischen Unionenarten nicht minder 
groß sei, als wir sie bei dem Genus Anodonta beobachten können, 
etwas zu weit gegangen sein, denn so viel steht unter allen Um- 
ständen fest, daß wir bei unseren Unionen tatsächlich zum mindesten 
auch schon der Form nach von „Standortvarietäten“ sprechen 
dürfen, während wir bei den Anodonten solche höchstens noch nach 
der mehr oder minder übereinstimmenden Skulptur und Farbe der 
Schale erblicken können, da ja bei diesen, wie ich das schon in 
meinen oben angeführten Schriften des öfteren zu betonen hatte, 
die individuelle Formverschiedenheit fast in das Grenzenlose geht. 
Eine nicht uninteressante Parallele zwischen Unionen und Ano- 
donten finden wir bei den Seeformen, nämlich die Verkürzung des 
Schalenvorderteils und die breite Schnabelbildung unter meist gleich- 
1 Clessin, S., Deutsche Exkursionsmolluskenfauna. II. Aufl, 1884. S. 533.
	        
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