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bilden müssen, so wie diese durch die speziellen Eigenschaften des
jeweiligen Wohnortes bedingt sind.
Noch ein. den Anodonten gegenüber bemerkenswertes Moment
für die konstanteren Schalencharaktere der Unionen zeigt sich end-
lich darin, daß bei den letzteren das Geschlecht des Tieres noch weit
weniger zuverlässig durch die etwa mehr oder minder bauchige
Schale festgestellt werden kann, wie bei den ersteren. Denn wenn
dieses Merkmal schon für die Anodonten kein absolut zuverlässiges
ist, so kann es für die Unionen eigentlich gar nicht in Betracht
kommen, weil schon die individuellen Unterschiede nach dieser Rich-
tung hin relativ nur sehr geringfügige sind.
Wenn nun trotzdem noch eine ziemlich merkliche Variabilität
unter den Schalenformen von Unionen gleicher Spezies aus ver-
schiedenen Fundplätzen resultiert, so liegt eben die Ursache dafür
lediglich in den vorhin genannten speziellen Eigenschaften des be-
treffenden Wohnortes, denn es ist klar, daß Unionen in rascher
fließenden Flüssen und Bächen festere und dickere und in der Form
gedrungenere Schalen produzieren müssen, als solche in träger be-
weglichen. Schließlich spielt auch der Kalkgehalt des Wassers eine
nicht zu unterschätzende Rolle in dieser Richtung, läßt aber seiner-
seits zugleich die Erscheinung, daß Margaritana margaritifera L.,
unsere Flußperlenmuschel, trotzdem sie fast ausschließlich in kalk-
armen Urgebirgsbächen wohnt, dennoch beinahe immer sehr dicke
Schalen besitzt, als Kuriosum hervortreten. ;
Angesichts dieser Betrachtungen dürfte die Angabe Cusssin’s !,
daß die Variabilität der einheimischen Unionenarten nicht minder
groß sei, als wir sie bei dem Genus Anodonta beobachten können,
etwas zu weit gegangen sein, denn so viel steht unter allen Um-
ständen fest, daß wir bei unseren Unionen tatsächlich zum mindesten
auch schon der Form nach von „Standortvarietäten“ sprechen
dürfen, während wir bei den Anodonten solche höchstens noch nach
der mehr oder minder übereinstimmenden Skulptur und Farbe der
Schale erblicken können, da ja bei diesen, wie ich das schon in
meinen oben angeführten Schriften des öfteren zu betonen hatte,
die individuelle Formverschiedenheit fast in das Grenzenlose geht.
Eine nicht uninteressante Parallele zwischen Unionen und Ano-
donten finden wir bei den Seeformen, nämlich die Verkürzung des
Schalenvorderteils und die breite Schnabelbildung unter meist gleich-
1 Clessin, S., Deutsche Exkursionsmolluskenfauna. II. Aufl, 1884. S. 533.