Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 66, 1910)

XXXIX 
Mit und neben dem Stoffwechsel des Kindes. (in ‚einem be- 
sonderen Buch 1894 zusammengefaßt) wurde selbstverständlich auch 
derjenige des Erwachsenen untersucht; denn die Kenntnis des Einen 
verlangt die Kenntnis des Anderen und umgekehrt. Die Zahl dieser 
seiner durchweg sorgfältigen und genauen Arbeiten ist außerordentlich 
groß. Namentlich wurde die Methodik der Harnuntersuchungen be- 
deutend gefördert und unsere Kenntnis über die chemische Zusammen- 
setzung des menschlichen Harnes in vielen Punkten erweitert. Von 
allen seinen Untersuchungen über den Stoffwechsel dürften wohl aber 
diejenigen über den Stoffwechsel des Kindes die bedeutendsten sein; 
denn hier. schaffte er in der Tat Neues und wirkte bahnbrechend. Er 
wirkte: aber auch, wie wir noch besonders hervorheben wollen; auch 
heilsam; denn von welch unendlich großer Wichtigkeit ist die Ernährung 
des Säuglings, bezw. des Kindes für den Einzelnen und die ganze Nation! 
Wie viel Unheil hat hier gerade in Württemberg seit Jahrzehnten der 
„Schlozer“ und der Mehlbrei angerichtet und wie viel Unheil richtet 
er noch an, wenn er und nicht die Mutterbrust den Säugling ernährt 
oder ernähren soll. Die Gesellschaft für Kinderheilkunde ernannte 
CAMERER auf Grund dieser seiner Arbeiten zu ihrem Ehrenmitglied, die 
Tübinger naturwissenschaftliche Fakultät zu ihrem Ehrendoktor. 
Neben diesen grundlegenden, wesentlich chemischen Arbeiten, 
welche ihn 25 Jahre seines Lebens beschäftigten, ging einher eine 
Reihe von Untersuchungen sinnesphysiologischen Inhalts, 
welche (und deshalb hat sie ihm auch sein von ihm mit Recht so 
hochgeschätzter Lehrer VızRorDT angeraten) zwar sehr schwierig und 
mühselig waren, aber doch so gut wie gar keines Instrumentariums 
bedurften. Vermittelst einer neuen, von VıERoRDdDT ausgebildeten 
Methode, nämlich der Methode der richtigen und falschen Fälle 
prüfte er die Feinheit des Raumsinnes unserer Haut, sowie unseres 
Geschmacksorgans. Diese Arbeiten brachten ihn in nahe Beziehung 
mit dem ebenso berühmten und ‘originellen, wie: liebenswürdigen 
Forscher THz0D0r FEcEnerR, der von Haus aus Physiker, auch in dem 
Gebiete der Physiologie, wie der Philosophie Hervorragendes leistete. 
CAMERER erzählt selbst, wie „die Briefe und Manuskripte FEcHNER’s 
Lichtpunkte in dem Leben des ländlichen Physikus und Praktikus 
waren, die ihn, sowie der schriftliche Verkehr mit andern Gelehrten, 
weit über die Enge der heimischen Verhältnisse hinaushob“. Ja der 
jugendliche Landarzt CAMFRER wurde von dem bejahrten, berühmten 
Gelehrten FEcHNER noch dadurch. geehrt, daß FEcHNER gemeinschaft- 
lich mit ihm arbeitete und die Arbeiten veröffentlichte, in: denen
	        

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