Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 67, 1911)

LIV 
Redners vornehmlich die Träger der allgemein weitverbreiteten Radio- 
aktivität, nachzuweisen. Und wenn wir heute wissen, daß Radium- 
emanationen überall im Bereiche der Erdrinde vorhanden sind, im 
Ackerboden, in der Bodenluft eines verwitterten Granits häufiger als 
in der Bodenluft eines Quarzsand- oder Kalkbodens, in kalten und 
heißen Quellen, dann ist diese Tatsache nach dem Redner in dem be- 
tonten Zusammenhange zu erklären. Es scheint ihm auch besonders 
wichtig, daß eine tiefgreifende Verwitterung die Radioaktivität im Zirkon 
gewissermaßen freimacht und er weist da auf das Beispiel der Bütt- 
quelle in Baden-Baden hin, die nächst der Gasteiner Quelle in Mitteleuropa 
nach den Untersuchungen Englers die höchste Radioaktivität auf- 
weist. Nach eigenen vom Redner früher ausgeführten Untersuchungen 
im Badener Thermalgebiet beruht das vielleicht darauf, daß die Bütt- 
quelle ihren Weg nimmt durch tief verwitterten mächtigen Granitschutt, 
im Gegensatz zu den anderen Badener Thermen, die mehr direkt aus 
dem anstehenden Gestein hervortreten. 
Bekanntlich ruft die Einwirkung der Radiumstrahlen gewisse Ver- 
färbung bei bestimmten Mineralien hervor; Versuche besonders von 
Mügge und Doelter haben gelehrt, daß durch Glühen entfärbter 
Rauchtopas seine braune Farbe unter der Einwirkung der Radium- 
strahlen wieder erhält, ebenso roter Hyazint, wenn derselbe durch 
Glüben farblos gemacht war, seine Farbe zurückerhält. Ähnlich ver- 
halten sich verschiedene andere Mineralien. Von diesen Tatsachen aus- 
gehend, kam Mügge auf den Gedanken, daß in Graniten die tief dunkel- 
braunen Höfe um die in braunem Glimmer eingewachsenen mikroskopischen 
Zirkone durch die von diesen ausgehende Radioaktivität hervorgerufen 
sein müssen, wie man sich ja auch durch einen direkten Versuch über- 
zeugen kann, indem man durch ein winziges Körnchen von Radium- 
bromid tatsächlich auf braunem Glimmer einen ähnlichen farbigen Hof 
erzeugt. Da nun aber der radioaktive Wirkungswert von Radium- 
bromid denjenigen der Zirkone um das millionenfache übertrifft, so 
müssen überaus lange Zeiträume verflossen sein, bis sich diese farbigen 
Höfe um den Zirkon in so kräftiger Ausbildung entwickeln konnten, 
wie wir sie heute beobachten. Tatsächlich findet man diese intensiven 
Höfe in der Regel nur in alten granitischen Eruptivgesteinen ent- 
wickelt, in großer Verbreitung und schöner Ausbildung; in den jüngeren 
entsprechenden Eruptivgesteinen scheinen sie zu fehlen. Damit hätte 
man eine Art von geologischem Chronometer — alte und junge Tiefen- 
gesteine dieser Art zu unterscheiden. 
Auf Grund der überall in der Erdrinde vorhandenen radioaktiven 
Emanationen haben zahlreiche Berechnungen ergeben, daß der Vorrat an 
feinverteilten radioaktiven Substanzen innerhalb der Erdrinde ein ganz 
außerordentlich großer sein muß. Die mit dem Zerfall des Radiums 
entwickelte Wärme muß demnach eine ganz bedeutende Wärmequelle 
für die Erdrinde darstellen, die die durch Abkühlung an den Weltraum 
abgegebene Wärme fast nahezu zu ersetzen vermag. Daraus folgt aber, 
daß die Abkühlung der Erde ungemein verlangsamt wird und daß es 
gar nicht nötig ist, einen besonders hohen Vorrat an Eigenwärme im
	        
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