Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 67, 1911)

LIX 
für die Länder mit humidem Klima. wie z. B. Deutschland und Schweden. 
Von deutscher Seite wurde auf die norddeutschen Flachlandsaufnahmen 
hingewiesen, welche, unterstützt durch spezielle Aufnahme einzelner 
Gebiete in großem Maßstab („Gutsaufnahmen“‘), sehr brauchbare Grund- 
jagen für bodenkundliche Forschungen abgeben. Besondere und all- 
seitige Anerkennung fand die neue geologische Spezialkarte des 
Königreichs Württemberg, welche neben der geologischen eine 
nach bodenkundlichen Gesichtspunkten angeordnete Farbenerklärung 
zeigt und dadurch sowie durch sorgfältige Darstellung des Gehänge- 
schuttes usf. nicht nur den Zwecken des Geologen, sondern auch denen 
des Praktikers, des Technikers, Forstmanns und Landwirtes dient. Auf 
Vorschlag eines norwegischen Fachmannes wurde als allgemeine Regel 
anerkannt, daß die bodenkundliche Forschung in erster Linie die geo- 
logischen Untergrundverhältnisse zu untersuchen habe und dann erst zur 
Prüfung der im Boden selbst sich weiterhin abspielenden physikalischen 
und chemischen Vorgänge fortschreiten dürfe. 
Von besonderem Interesse waren die unter Leitung des Präsi- 
denten der Konferenz, des bekannten schwedischen Gelehrten Professor 
GUNNAR ANDERSSON aus Stockholm, ausgeführten Exkursionen. Zunächst 
wurde an der landwirtschaftlichen Versuchsstation Ultuna bei Upsala an 
Hand einer geologisch-bodenkundlichen Spezialkarte der Wechsel der 
chemischen und physischen Eigenschaften der Böden je nach der ver- 
schiedenen Beschaffenheit des geologischen Untergrundes (Upsalagranit, 
Diorit, Moräne, fluvioglazialer Kies — sogen. „Rullstensgrus‘‘ —, Eis- 
meerton und postglazialer Meeressand) betrachtet und dessen Einfluß 
auf das Gedeihen der Versuchspflanzen dargelegt. Dann führte eine 
außerordentlich gut vorbereitete und höchst genußreiche Fahrt durchs 
mittelschwedische Land und zum Wettersee. Erst ging es durchs Gebiet 
der sogen. Eismeertone. Denn bekanntlich lag noch in junger geologischer 
Vorzeit ein großer Teil des flachen schwedischen Landes unter Meer 
und ist noch jetzt in stetiger langsamer Hebung begriffen. So hat sich 
der Untergrund der Stadt Stockholm seit 100 Jahren um 47 cm ge- 
hoben und in den Bergen Dalekarliens sieht man noch. jetzt hoch droben 
im Waldgebirge die von großen Rollblöcken und Kies bezeichnete Ufer- 
linie des einstigen Meeres, Aus den Bändern der feingestreiften Eis- 
meertone („Bändertone‘‘) hat GERARD DE GEER in gedankenreicher 
Arbeit interessante, auf Jahre genaue Berechnungen aus geologischer 
Vorzeit angestellt. Weiter nach Osten treten oft große, von treibenden 
Eisbergen vertragene und schließlich fallen gelassene Blöcke, vom Eis- 
meerton unverhüllt, zutage. Meist sind sie von der kleinen Alge 
Trentepolia jolitchus bewachsen und dadurch tiefrot gefärbt. Fichte und 
Kiefer, seltener Eichengehölze oder vereinzelte Espen und Birken be- 
leben das Landschaftsbild; Hafer und Gerste, Roggen und Weizen baut 
der Landmann in dieser weiten ‚„„‚Mälarebene‘‘. Im Östlich folgenden 
„Bergslaggebiet‘‘ steht man an der Grenze des spätglazialen Yoldia- 
meeres. Hier sind die höchstgelegenen marinen Bildungen zu sehen 
und so kann deren Verhältnis zu den Moränen studiert werden. Ferner 
verläuft hier eine der wichtigsten pflanzengeographischen Grenzen Europas,
	        
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