Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 67, 1911)

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Aber wie bald ist sie verflogen! Es lag dies nicht etwa daran, daß 
nach schweren Pferden kein Bedürfnis mehr vorlag, sondern daran, daß 
diese in einem Inselklima aufgezogenen Tiere nicht für unser kontinen- 
tales Klima paßten. 
Ganz anders dagegen war es mit den Belgiern, die nicht nur 
einen plötzlichen Siegeslauf durch die Welt antraten, sondern ihre so 
schnell errungene Stellung auch behauptet haben. Und für sie hat 
sich auch in Deutschland ein Zuchtgebiet gefunden, in dem ihre Zucht 
große Erfolge zu verzeichnen hat, nämlich am Niederrhein. Das ist 
aber ein Gebiet, das so unmittelbar neben der eigentlichen Heimat dieser 
Tiere liegt, daß es wohl, tiergeographisch gesprochen, zu derselben 
Provinz gehört. 
Daß aber auch eine ursprünglich fremde Rasse sich einem neuen 
Lande anpassen und doch dabei veredelt und hochgezüchtet werden 
kann, zeigen die in England gezogenen Araber, Niemals haben die 
Engländer in ihrem Lande einen Araber züchten wollen, der dem Typus 
seines Stammlandes glich, sondern der englische Araber ist eben etwas 
ganz anderes geworden. Wo es sich um bedeutende tierzüchterische 
Erfolge handelt, haben wir es eben mit Rassen zu tun, die bodenständig 
sind, wie die seit Jahrhunderten in den Marschen gezüchteten Niede- 
rungsrinder oder die nicht weniger alten Simmentaler der Schweiz, die 
doch nur ein verhältnismäßig engbegrenztes Zuchtgebiet besitzen, und 
das macht ihre Stärke aus. 
Bekanntlich gilt in der Tierzucht schon lange der Satz: „Das 
Tier ist das Produkt der Scholle‘. Noch viel mehr wie von den Haus- 
tieren gilt das natürlich von den wilden Tieren. Was aber die Scholle 
ist, wie die Scholle gegen die benachbarte Scholle abzugrenzen ist, 
das hat noch niemand erschöpfend definiert. Zu der Aufklärung dieses 
Begriffes hilft aber die Erforschung der tiergeographischen Kleingebiete, 
wie ich sie vorhin skizzierte. Sie lehrt uns die Gebiete kennen, 
innerhalb deren Grenzen gleiche zoologische Bedingungen 
herrschen, und kann so auch dem Tierzüchter wichtige Winke 
bei der Schaffung bodenständiger Haustierrassen geben. 
Man könnte mir hier nun mit der sogenannten Wasserscheiden- 
theorie kommen und einwenden, daß danach die tiergeographischen 
Gebiete mit Leichtigkeit ohne Forschungen zu erkennen seien. Aber 
einmal entbehrt diese Theorie zunächst noch einer eingehenden wissen- 
schaftlichen Begründung. Und nach dem, was ich bis jetzt von ihr 
weiß, kann ich ihr ferner auch nicht zustimmen. Die Verbreitung der 
Säugetiere hängt nicht von einem geographischen Gesetz ab, sondern 
von ihrer Lebensweise, Ich habe als Jäger in den Vogesen die Er- 
fahrung gemacht, daß die Hasen, als Steppentiere, nicht hoch in das 
Waldgebirge steigen. Sie werden nach dem Kamme zu allmählich 
seltener und verschwinden oben schließlich ganz. Daher sind die 
Vogesen für die Hasen eine scharfe Scheidegrenze. Der Hirsch da- 
gegen ist ein Waldtier. Er findet sich auf den höchsten Erhebungen 
der Vogesen und seine Wechsel führen frei über den Kamm herüber., 
Für ihn sind die Vogesen keine Grenze, ja sie sind gerade das Gebiet,
	        
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