Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 71, 1915)

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er alle Anwartschaft darauf hat, in diese wichtige Klasse eingereiht 
zu werden. Es ist unser roter Blutfarbstoff, das Hämoglobin, dessen 
sauerstoffübertragende Wirkung in ihrem Chemismus bereits recht 
gut aufgeklärt werden konnte. Daß das Hämoglobin Eisen enthält, 
ist bekannt und wurde erwähnt, daß sein organisches Gerüst dem 
des Chlorophylls sehr ähnlich ist, haben die Untersuchungen der 
Neuzeit zur Evidenz erwiesen. Und so sehen wir auch hier wieder 
die Abhängigkeit der höheren Tierwelt von den höheren, den Chloro- 
phyll führenden Pflanzen aufs klarste erwiesen. Denn es kann keinem 
Zweifel unterliegen, daß die Bausteine des Hämoglobins in der 
Pflanze gebildet werden, daß das Tier sie mit der Nahrung aufnimmt 
und vielleicht etwas umformt. Der wesentliche Unterschied besteht 
im anorganischen Teil: an derselben Stelle der organischen Gerüst- 
substanz steht im Chlorophyll das Magnesium, im Hämoglobin das 
Eisen. Und die verschiedene Wirkung: hier Abbau, dort Aufbau, 
sehen wir also lediglich an die genannten beiden Metalle geknüpft. 
Bedienen wir uns doch auch im Laboratorium des Magnesiums zu 
Synthesen, und wir wenden Eisen an, wenn wir durch Oxydation 
einen Abbau erreichen wollen. 
Wenn wir es uns nun recht überlegen, so ist es gar nicht 
wunderbar, daß die beiden diametral entgegengesetzt wirkenden 
Farbstoffe in ihrem organischen Teil zueinander gehören, sondern 
es ist eine Forderung der Vernunft, daß dem so ist. Denn die beiden 
Farbstoffe sind die beiden Pole, um die sich das höhere Leben zur 
Jetztzeit stofflich dreht, wenn der eine nicht wäre, könnte der andere 
nicht sein, d. h. sie müssen chemisch verwandte Körper sein. 
Die Erkenntnis von den im Tierleibe sich abspielenden Syn- 
thesen hat sich erst in der Neuzeit recht entwickelt; viele wichtige 
Fragen, wie z. B. das Auftreten von verschiedenartigem Eiweiß in 
verschiedenen Geweben harren noch der Aufklärung. Vor allem ist 
es auch noch nicht gelungen, über einen allerwichtigsten Vorgang 
Klarheit zu schaffen, geschweige ihn nachzumachen, ich meine die 
Bildung von Fett aus Kohlenhydraten, ‚ein Prozeß, der sich ja auch 
im Pflanzenleibe abspielt. Es muß eine gewaltige Reduktion statt- 
finden und damit geht parallel ein großer Gewinn an Energie, wie 
daraus erhellt, daß wir von einem Gewichtsteil Fett mehr als das 
Doppelte der Wärmemenge gewinnen, die uns dasselbe Gewicht eines 
Kohlenhydrats ‚liefert. Es wäre also von allergrößter Bedeutung, 
diesen Prozeß beherrschen und ihn vervollkommnen zu lernen. Einst- 
weilen fehlt aber jede Einsicht und wir müssen uns darauf be-
	        
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