Full text: Das Königliche Katharinenstift zu Stuttgart

F’reuden, dass ihm die Inspektion seiner Anstalt übertragen 
wurde. Zoller nahm sogleich thätigen Anteil an dem Institut; 
er übernahm den Unterricht in der christlichen Religion, hielt 
wöchentlich am Donnerstag eine Katechisation und Sonntags von 
{1—12 einen besonderen Gottesdienst, nach Salzmanns Vorgang 
„Gottesverehrung“ genannt. 
Im Frühjahr 1813 eröffnete Tafinger in Verbindung mit 
dem Stadtphysikus Dr. Riecke Vorlesungen über die körperliche 
Erziehung der Kinder und die Behandlung der Kinderkrankheiten. 
Diese Vorlesungen fanden Mittwoch und Samstag abends von 
5_—6 Uhr statt; am Sonntag aber wurden von 11—12 Uhr be- 
sondere Vorträge für Kinderwärterinnen gehalten. Einen weiteren 
Ausbau der Anstalt brachte das Jahr 1814, in welchem für 
die Schülerinnen, welche die bisherige oberste Klasse durchlaufen 
hatten, eine weitere Klasse errichtet wurde, die für konfirmierte 
Töchter, namentlich aber auch für künftige Lehrerinnen und Er- 
zieherinnen, bestimmt war. 
In den beiden nächsten Jahren hatte die Anstalt, deren 
Schülerinnenzahl schon 1813 auf 130 gestiegen war, ihren ruhigen 
Fortgang. Da kamen aber infolge grossen Misswachses die Not- 
jahre 1816 und 1817, die auch Tafıngers Anstalt an den Rand 
des Verderbens brachten. Auf Zollers Rat wandte sich Tatfinger 
an König Wilhelm, der am 30. Oktober 1816 seinem Vater, dem 
König Friedrich, auf dem Thron gefolgt war und im Verein mit 
seiner edeln Gemahlin Katharina Paulowna zur Linderung der 
Not kräftig und segensreich wirkte. Die offene Darlegung der 
Notlage wurde von dem Inspektorat aufs kräftigste und wohl- 
wollendste unterstützt, und am 18. April 1817 wurde der Anstalt 
ausser dem bisherigen jährlichen Beitrag von 300 Gulden eine 
jährliche Hausmiete von 600 Gulden und für Brennholz jährlich 
300 Gulden bewilligt. Durch diese königliche Huld wurde 
Tafingers Mut wieder gehoben, und die Anstalt schien sich wieder 
zu verjüngen; aber schon mit dem nächsten Jahr sollte durch 
ainen hochherzigen Entschluss der Königin Katharina eine uner- 
wartete Veränderung eintreten. 
Neben der Tafınger’schen Schule hatte der bekannte Staats- 
mann Freiherr Carl August von Wangenheim eine Art 
höherer Mädchenschule ins Leben gerufen. Seit 1806 in Stutt- 
gart als Präsident der Oberfinanzkammer, unternahm er es, be- 
zeistert für Pestalozzi, nach dessen Grundsätzen seine Töchter 
ınd einige Freundinnen derselben zu unterrichten, auch die älteren
	        

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