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Ernst des Lebens muss der Mensch erzogen werden. Die mora-
jische Kraft ist des Weibes einzige Stärke, die veredelte Charakter-
bildung ist die beste Ausstattung für zwei Welten.“
Dann erhob sie sich und hielt folgende Ansprache:
„Ich hoffe, dass die Vorsteher dieser neuen Anstalt, von
der Wichtigkeit ihres Berufes durchdrungen, stets mit Eifer seiner
Vollführung nachstreben werden.
Ich hoffe auch, dass die Schülerinnen mit immerwährender
Anstrengung die ihnen dargebotenen Bildungsmittel zu benutzen
sich beeifern. Das Gegenteil wäre als Undank von ihnen zu
betrachten; eine Untugend, welche aus diesem Kreise verbannt
3ein muss.
Aber hauptsächlich ist meine Hoffnung auf die Eltern der
Schülerinnen gerichtet; blos wenn sie im Sinne der Anstalt auf
'hre Kinder wirken, kann sie vollkommen gedeihen.
Meinerseits verspreche ich, immer den grössten Anteil an
diesem Institute zu nehmen.
Möge Gott Ihre und meine Sorge mit Gelingen krönen! Er
sieht unser aller reine Absicht; blos diese gilt vor dem Richter-
stuhl des Allerhöchsten.“
Die Königin trat nun zu den Lehrern und zu den Mitgliedern
des Elternausschusses, dankte ihnen mit leuchtenden Augen und
bewegter Stimme, dass sie die Sorge für die Anstalt mit ihr teilen
wollten, durchschritt sodann die Zimmer, überallhin an Eltern
and Kinder freundliche, anfeuernde Worte richtend, und übertrug
vor ihrem Weggehen dem Rektor zum Schlusse noch, den Er-
ziehungsplan und das Statut zu verlesen, damit jedermann wisse,
was er von heute an zu thun und zu erwarten habe, Es ge-
schah. Die Versammlung ging auseinander, die Anstalt war er-
5ffnet.
Ramsauer sagt über diese Eröffnungsfeier: „Nie werde ich
die königliche ernste Einweihungsrede vergessen, welche die hohe
Stifterin im Katharinenstift selbst hielt. So würdig spricht selten
eine Frau höheren Standes über den Ernst des Lebens und
namentlich über die Würde und Bedeutung des Lebens der Frauen;
selten spricht eine Frau so klar und bestimmt, selbst gegen Kinder,
es aus, wie diese Königin es gethan, wie das Mädchen sich frühe
schon gewöhnen müsse an alle Frauentugenden, und wie das
Leben der Frauen ein beständiges Schaffen und Ordnen, ein Sich-
selbstvergessen und Sichunterordnen sei — und dass alles Tändeln
nur zum Verderben führe.“