Full text: Das Königliche Katharinenstift zu Stuttgart

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Ernst des Lebens muss der Mensch erzogen werden. Die mora- 
jische Kraft ist des Weibes einzige Stärke, die veredelte Charakter- 
bildung ist die beste Ausstattung für zwei Welten.“ 
Dann erhob sie sich und hielt folgende Ansprache: 
„Ich hoffe, dass die Vorsteher dieser neuen Anstalt, von 
der Wichtigkeit ihres Berufes durchdrungen, stets mit Eifer seiner 
Vollführung nachstreben werden. 
Ich hoffe auch, dass die Schülerinnen mit immerwährender 
Anstrengung die ihnen dargebotenen Bildungsmittel zu benutzen 
sich beeifern. Das Gegenteil wäre als Undank von ihnen zu 
betrachten; eine Untugend, welche aus diesem Kreise verbannt 
3ein muss. 
Aber hauptsächlich ist meine Hoffnung auf die Eltern der 
Schülerinnen gerichtet; blos wenn sie im Sinne der Anstalt auf 
'hre Kinder wirken, kann sie vollkommen gedeihen. 
Meinerseits verspreche ich, immer den grössten Anteil an 
diesem Institute zu nehmen. 
Möge Gott Ihre und meine Sorge mit Gelingen krönen! Er 
sieht unser aller reine Absicht; blos diese gilt vor dem Richter- 
stuhl des Allerhöchsten.“ 
Die Königin trat nun zu den Lehrern und zu den Mitgliedern 
des Elternausschusses, dankte ihnen mit leuchtenden Augen und 
bewegter Stimme, dass sie die Sorge für die Anstalt mit ihr teilen 
wollten, durchschritt sodann die Zimmer, überallhin an Eltern 
and Kinder freundliche, anfeuernde Worte richtend, und übertrug 
vor ihrem Weggehen dem Rektor zum Schlusse noch, den Er- 
ziehungsplan und das Statut zu verlesen, damit jedermann wisse, 
was er von heute an zu thun und zu erwarten habe, Es ge- 
schah. Die Versammlung ging auseinander, die Anstalt war er- 
5ffnet. 
Ramsauer sagt über diese Eröffnungsfeier: „Nie werde ich 
die königliche ernste Einweihungsrede vergessen, welche die hohe 
Stifterin im Katharinenstift selbst hielt. So würdig spricht selten 
eine Frau höheren Standes über den Ernst des Lebens und 
namentlich über die Würde und Bedeutung des Lebens der Frauen; 
selten spricht eine Frau so klar und bestimmt, selbst gegen Kinder, 
es aus, wie diese Königin es gethan, wie das Mädchen sich frühe 
schon gewöhnen müsse an alle Frauentugenden, und wie das 
Leben der Frauen ein beständiges Schaffen und Ordnen, ein Sich- 
selbstvergessen und Sichunterordnen sei — und dass alles Tändeln 
nur zum Verderben führe.“
	        

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