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Zoller eine Stunde gab, als eben zwei Regimenter, von einer
Feldübung zurückkehrend, mit fröhlicher Musik und lautem
Trommelschlag an dem Hause vorüberzogen. Zoller suchte
nach Kräften seine Stimme zu verstärken; die Königin verdoppelte
ihre Aufmerksamkeit. Endlich hielt Zoller inne und sagte: „Ich
muss den Trommeln den Sieg lassen, wie so oft meine Kollegen.“
— Die Königin erwiderte: „Sie haben ganz recht, ich fühle den
Uebelstand sehr lebhaft, den Sie mir So stark bemerklich
machen. Ich werde heute noch mit dem Könige sprechen; es wird
yeholfen werden.“
Die Trommeln waren schr zu rechter Zeit gekommen; cs
wurde Rat geschafft, der Anstalt wurde das geräumige Haus in
der Friedrichsstrasse zugewiesen, in dem sie sich heute noch be-
findet. Schon sollte der Tag bestimmt werden, wo die Königin,
glücklich über die grossen Räume, die das neue Haus der An-
stalt bieten würde, dieselben für ihre neue Bestimmung verteilen
wollte. Die Königin war erkrankt. Zoller wusste es nicht und
fragte an, wann sie das neu bestimmte Gebäude in Augenschein
nehmen wolle. Herr v. Buschmann kam selbst, ihm zu sagen,
dass die Königin das Zimmer nicht verlassen könne. Grosse
Beunruhigung herrschte in der Anstalt. Da erscholl plötzlich am
9. Januar 1819, an einem Samstagmorgen, die Nachricht: Die
Königin ist gestorben! Allgemeines Wehklagen durchdrang die
Stadt; jedermann fühlte die grosse Bedeutung dieses furchtbaren
Schlags. Rektor Zoller eilte zur Anstalt und trug die Nachricht
in die Mitte der schmerzlich Betroffenen. „Den Eindruck zu be-
schreiben,“ sagt er in seinen Erinnerungen, „geht über meine
Kraft, Das Haupt der Anstalt war gesunken; das Herz, das so
warm für sie fühlte, hatte aufgehört zu schlagen. Jede Schülerin
eweinte den Tod einer Mutter.“
Ramsauer, dem dieser Tod besonders nahe gehen musste,
schreibt darüber: „Es lag in des Herrn Plan, dass am
9. Januar 1819 der König seine Gemahlin, die Prinzen ihre
Mutter, Stuttgart seine Wohlthäterin, Württemberg seine edle
Königin verlieren sollte.“
Am andern Tage füllte die Trauerbetrachtung die kirchliche
Rede Rektor Zollers im Waisenhaus; am Dienstag aber erhielt
er den Auftrag, alle Schülerinnen, die herbeikommen wollten, an
das Sterbebett der Königin und daran vorüber zu führen. Unter
lautem Schluchzen küssten viele den Saum des Totenlagers.
Am 14. Januar, am Donnerstag, war die feierliche Beisetzung