Full text: Konstruktion und Gestaltung großer Geschoßbauten in Eisenbeton

Zwischensäule abzufangen, als den Randträger auf 7,5 m frei zu spannen. Die 
Art der Deckenkonstruktion bedingt ein Verhältnis der Belastungen von Zwi- 
schensäule und Hauptsäule wie 2 : 7. Entsprechend sind die Betonquerschnitte 
zu bemessen. 
Der Grundsatz, daß bis zu einer bestimmten unteren Grenze die engere 
Säulenteilung konstruktiv wirtschaftlicher ist als die weitere, ist, wie die vor- 
stehenden Beispiele zeigen, für die Gliederung der Frontwand von architektoni- 
scher Bedeutung. Nachdem die Betrachtungen des vorigen Abschnittes über 
die seitliche Stabilität des Skelettes die überwiegende Bedeutung der vertikalen 
Struktur gezeigt haben, erweist sich hier nach einem rein wirtschaftlichen 
Prinzip wiederum die vorwiegend vertikale Gliederung, d.h. die Wahl zahl- 
Abb. 23. Gegenentwurf zum „Bürohaus“ von Mies van der Rohe 
reicher Stützen statt großer Spannweiten zum mindesten für die Außenwand 
als folgerichtig. 
Das entwickelte Prinzip ist übrigens nicht das zufällige Ergebnis von Preis- 
faktoren, deren Höhe wechselnd und anfechtbar sein könnte. Es ist vielmehr 
die Folge der natürlichen statischen Tatsache, daß eine Last durch ein auf 
Druck beanspruchtes Glied mit geringerem Materialaufwand aufgenommen und 
weitergeleitet wird als durch ein auf Biegung beanspruchtes Glied. Die Last 
muß daher auf kürzestem Wege dem Druckglied zugeleitet werden. 
Es dürfte für den Architekten bedeutsam sein, festzustellen, daß dieses 
statische Prinzip das natürliche und bis ins kleinste durchgeführte Prinzip der 
Gotik gewesen ist. 
Wenn Bennett in seinem Buche „Bauformen in Eisenbeton“ (Verlag 
Wasmuth, Berlin, S. 12) feststellt, daß-der Geist der Gotik die neue Eisenbeton- 
bauweise zu befruchten scheine, daß aber „die Ähnlichkeit der Formen nur 
äußerlich ist und der tieferen Zusammenhänge entbehrt‘“, so kann dem mit Recht 
das oben entwickelte Prinzip als das gemeinsame natürliche Prinzip der alten 
gotischen und der neuen wissenschaftlichen Statik entgegengehalten werden. 
Man kann mit Recht fragen, wie es kommt, daß die Tatsache von der natür- 
lichen Wirtschaftlichkeit der engen Stützenteilung sich nicht längst selbst- 
verständlich durchgesetzt hat, sondern daß die große Trägerspannweite fast 
durchweg den „Stil“ der Eisenbetonbauweise auszumachen scheint. Der Grund
	        

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