Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

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wandten die Leitung der Geschäfte übertragen habe.“ Zugleich erbot 
ie sich zu großen Zugeständnissen, 3. B. zur Abtretung einiger Städte, 
venn er sie im ruhigen Besits ihrer Herrschaft lasse. Bald darauf 
erschienen aber auch Abgeordnete der in Gent versammelten niederlän— 
dischen Stünde, um mit dem König über Waffenruhe und Frieder 
zu verhandeln, und gaben ihm die Versicherung, daß die junge Her 
zogin ganz nach dem Rate der Stände zu regieren gedenke. De 
müßten sie denn zu ihrem großen Erstaunen aus dem Munde des 
hinterlistigen Königs erfahren, wie unredlich Maria gehandelt hatte 
Mit Groll im Herzen kehrten die 
Abgeordneten nach Gent zurück und er— 
hoben Klage gegen die Fürstin. Rasch 
enthrannte die Wut des Volkes; Hugo— 
net und d'Himbercourt wurden des 
Verrats gegen das Vaterland beschuldigt 
und von dem Genter Stadtgericht zum 
Tode verurteilt. „Vergebens flehte Maria 
die Richter an, ihr die Entscheidung zu 
überlassen ssiehe Bild S. 1051; die Hin— 
richtung ward beschlossen und festgesetzt; 
vergebens durchirrte die junge Fürstin 
allein im Trauergewand und mit auf⸗ 
gelösten Haaren die Straßen der Stadt 
Ind bat das Volk um Gnade für ihre 
Diener; beide wurden öffentlich ent— 
hauptet, und als ihre blutenden Häupter 
niederrollten, erhob die Menge ein wil⸗ 
des Freudengeschrei.“ (Weber, Allgemeine 
Weltgeschichte, Maria war aufs tiefste 
erschüttert und verletzt, doch weniger 
über ihr empörtes Volk, als über König 
Ludwig, der ihre geheimen Mitteilungen 
verraten hatte. Von einem Einverständ— 
nis mit ihm oder gar einem Ehebündnis 
mit seinem Sohn konnte fortan keint 
Rede mehr sein. In diesem Haß be 
gegnete sich die Fürstin gar bald mit 
ihrem niederländischen Volk und seinen 
Ständen, so daß er für beide Teile 
schließlich eine Brücke der Verständigung 
und Versöhnung wurde. — So lagen 
die Verhältnisse, als ein Ereignis eintrat, 
das die Pläne des französischen Königs 
vollständig zu nichte machte. Im April 
des Jahres 1477 erschien in Brügge, 
wohin sich der burgundische Hof nach 
dem Blutgericht von Gent begeben hatte, 
eine deutsche Gesandtschaft, mit dem Erz— 
bischof von Mainz an der Spitze, und 
fragte an, ob die Fürstin geneigt sei, 
dem ritterlichen Maximilian ihr früher 
gegebenes Eheversprechen zu halten. 
Maria sagte freudig zu; denn auf diese 
Weise konnte sie den verhaßten Anträgen 
Frankreichs am besten aus dem Wege 
gehen und ihren Landen zugleich einen 
kräftigen Beschützer geben. Schon nach 
einigen Tagen wurde durch Stellver— 
tretung die vorläufige Trauung voll— 
zogen, und am 18. August desselben 
Jahres sand in Gent die eigentliche Ver— 
mählung mit Maximilian statt. Als 
bald darauf der stattliche Kaisersohn an der Seite seiner jugendlich 
schönen Gemahlin Einzug in den belgischen Städten hielt, da war das 
Volt freudig erregt. Erwartete man doch von ihm Befreiung aus der 
französischen Bedrängnis! 
Man hatte sich nicht getäuscht. Zwar gelang es Ludwig, sich der 
westlichen Teile Burgunds zu bemächtigen; aber in den Niederlanden 
rückte Maximilian mit 27000 Mann mutigen Flämingern und deutschen 
Zöldnern den Franzosen entgegen. Am 17. August 1479 kam es an 
dem Hügel Guinegate zu einer blutigen Schlacht. Maximilian siegte, 
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wenn auch unter großen Opfern, und behauptete dadurch seiner Ge⸗ 
nahlin die nördlichen Provinzen ihres Landes. Er selbst hatte mit 
uußerordentlicher Tapferkeit an dem Kampfe teilgenommen; um so 
größer war deshalb die Begeisterung für ihn, als er kurz darauf nach 
Gent zurückkehrte. An allen Fenstern der engen Straßen zeigte sich 
subelndes Volk; auf der Freitreppe des Rathauses begrüßte Maria ihren 
ruhmgekrönten Gemahl und brachte ihm in strahlendem Mutterglück 
hren Erstgeborenen, den kleinen Philipp, entgegen. (Siehe untenstehen— 
es Bild. Mit stolzer Freude konnte Maximilian sein Schicksal preisen. 
Kaum 212 Jahre nachher wurde das Glück der fürstlichen Gatten 
äh zerrissen; denn am 26. März 1482 verschied Maria als ein Opfer 
hrer Jagdlust, an den Folgen eines Sturzes vom Pferde. Kein härterer 
Schlag konnte den jungen Fürsten treffen; jetzt hieß es für ihn, um 
das Dasein kümpfen; denn ringsum umgaben ihn Feinde. Die an— 
ängliche Begeisterung der Niederländer für Maximilian war allmäh⸗ 
ich erkaltet, weil es ihm nicht gelingen wollte, dem Kriegszustand mit 
xrankreich ein Ende zu bereiten; auch nahm man ihm übel, daß er in 
o schwerer Zeit öfters Festlichkeiten, wie Turniere und Jagden, ver— 
anstaltete und in seinen Rat vorzugsweise Deutsche berief. Die Er— 
bitterung wuchs immer mehr; man wollte schließlich den Habsburger 
nicht mehr über sich dulden und suchte ihm sogar die Vormundschaft 
seiner Kinder Philipp und Margarete zu entreißen. Dabei fanden die 
Niederländer Unterstützung von seiten Ludwigs XI. und lieferten ihm 
zum Dank Maximilians Tochter als Braut für den Dauphin aus, ohne 
den Vater nur zu fragen. Maximilian blieb jedoch Sieger in diesem 
Kampfe. Zwar mußte er in dem Frieden von Arras die gewaltsame 
Verlobung seiner Tochter anerkennen und als Brautschatz blühende 
Landschaften an Frankreich abtreten; aber er blieb Vormund Philipps 
Später erneuerten sich freilich die Kämpfe; ja, Maximilian fiel sogar 
im Jahre 1488 zu Brügge in schmähliche Gefangenschaft ssiehe Bild 
S. 108), und erst durch das Erscheinen eines großen deutschen Reichs— 
heeres wurde er wieder befreit. Doch mußte er auf die Vormundschaft 
jseines Sohnes und die Regierung feierlich verzichten. 
Zwei Jahre vor diesem traurigen Ereignis, am 16. Februar 1486 
hatten die deutschen Kurfürsten in Frankfurt a. M. Erzherzog Maxi— 
nilian zum römisch-deutschen König erkoren, zum erstenmal seit hundert 
Jahren noch zu Lebzeiten des alten Königs. Zie waren durch die 
gegenwärtige Not zu diesem außergewöhnlichen Schritt bestimmt worden; 
denn das Reich hatte bisher unter Friedrich III. nur Verluste zu ver— 
eichnen. Im Osten mußte der deutsche Ritterorden Westpreußen an 
Lolen abtreten; im Westen wuchs die französische Macht zu bedroh— 
icher Höhe an; in Ungarn griff König Matthias Corvinus erfolgreich 
im sich und wandte seine Waffsen gegen die Erbländer des — 
7v lagen denn die Gründe der Wahl wesentlich in dem Wunsch, „die 
asten des Reichskriegs gegen Ungarn u. s. w., dessen Unvermeidlichkeit 
man begriff, auch auf den burgundischen 
Besis der Habsburger mit abzuwälzen 
und zum besseren Gelingen . . . an Stelle 
des kriegerisch unfähigen und politisch un— 
erechenbaren Kaisers den als Erbherrn 
der Lande gegebenen und durch frische 
Taten bewährten Führer zu sichern.“ 
Ulmann, Kaiser Maximilian J. Auch 
soffte man, daß der für neue Ideen 
»mpfängliche jugendfrische Mann man— 
herlei notwendige Resormen der Reichs— 
erfassung durchführen werde, und Max 
nersprach das auch. 
Als er nach dem Tode seines Vaters 
m Jahre 140933 den Thron bestiegen 
satte, ging er alsbald energisch daran, 
die in Aussicht gestellten Reichsresormen 
u Angriff zu nehmen. Auf seinem ersten 
Reichstage, der zu Worms im Jahre 
495 stattsand, wurde zunächst auf den 
Wunsch der Reichsstände der für eine 
Auzahl von Jahren bereits sestgeseiste 
Landfrieden in einen ewigen ver— 
vandelt. Und so eifrig war der Kaiser 
dabei, dieses Werk zu fördern, daßz es in 
einem an den Reichstag erstatteten Be— 
ichte heiszt: „Es hat auch Se. Königl. 
Majestät vor sich genommen die Ord— 
rung, Recht und Frieden berührend, 
uind darüber gesessen zween Tage von 
Morgens acht Uhr bis Abends zu der— 
elben Stunde, und dazwischen nur seine 
Mahlzeit genommen, wollie solches in 
weien Tagen vollenden.“ Miichter, a. a. 
D. Die wichtigsten Bestimmungen des 
damals erlassenen Landfriedensgesetzes 
lauten: „Mit einmütigem zeitigen Rate 
der Ehrwürdigen und Hochgeborenen, 
uinserer lieben Neffen, Oheime, Kur— 
fürsten und Fürsten, geistlichen und welt— 
lichen, auch Prälaten, Grafen, Herren 
und Stände haben wir durch das heilige 
Reich und deutsche Nation einen ge— 
meinen Frieden ‚vorgenommen', aufge— 
richtet, geordnet und gemacht; richten 
auf, ordnen und machen den auch in und 
nit Kraft dieses Briefes: Also daß von 
zeit dieser Verkündigung niemand, von 
vas Würden, Standes oder Wesens der 
ei, den anderen befehden, bekriegen, be— 
rauben, „ahen‘, überziehen, belagern, 
nuch dazu nicht selbst oder durch jemand 
inders von seinetwegen dienen, noch 
auch in irgend welche Schlösser, Städte, Märkte, Befestigungen, Törfer, 
höfe oder Weiler absteigen, oder sie ohne des andern Willen mit ge— 
valtsamer Tat freventlich einnehmen oder hinterlistig mit Brand oder 
nmanderer Weise derart beschädigen soll. Auch soll niemand solchen 
Tätern Rat, Hilse, oder in einer anderen Weise Beistand oder Für— 
chub tun, auch sie offenkundig oder hinterlistig nit beherbergen, be— 
sausen, ‚atzen‘ oder tränken, aufnehmen oder dulden. 
Sondern wer gegen den anderen einen Rechtsanspruch zu erheben 
jedenkt, der soll solches suchen und tun an den Enden und Gerichten
	        
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