Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

Wachstuch“ (Wort Napoleons) waren die Bitten an ihm abgeglitten, 
im 9. ZJuli mußte König Friedrich Wilhelm III. geben, was Napoleon 
reventlich verlangte. Sie schrieb darüber am 5. August 1807 ihrem 
Bruder Georg: „Ganz erfüllt von dem großen Gedanken meiner heiligen 
pflicht flog ich nach Tilsit und sprach das, was mir Gott eingab: allein 
cch sprach nicht 
zu einem Men— 
ichen, sondern zu 
einem — zu 
einem Wesen 
ohne menschlich 
derz, und das 
Resultat ist denn 
auch so rein un— 
menschlich, daß 
Preußen vor der 
Welt gerecht— 
iertigt dasteht.“ 
Mit Preußen 
war es aus, 
venn auch nicht 
ür immer, doch 
ür jetzt. Und 
rückschauende 
Betrachtung 
iberzeugte die 
Königin, daß 
alles so kommen 
mußte, wie es 
zjekommen war. 
Die göttliche 
Vorsehung“, 
chrieb sie ihrem 
Kater, „leitet 
unverkennbar 
ieue Weltzu— 
stände ein, und 
s soll eine an— 
dere Ordnung 
der Dinge wer— 
den, da die 
alte sich überlebt 
hat und in sich 
elbst als abge— 
torben zusam— 
nenstürzt.“ Doch 
Königin Luise 
derzagte nicht. 
Weil sie über— 
zeugt war, daß 
s in der Welt 
iur gut werde 
durch die Guten, 
»eshalb glaubte 
ie nicht, daß 
Napoleons Kai— 
erthron fest und 
icher sei, und 
deshalb hoffte 
ie, daß auf die 
etzige böse Zeit 
auch wieder eine 
essere folgen 
verde. Neben 
Ztein, Scharnhorst, Gneisenau, Grolmann, Boyen und Schön war es 
»esonders die Königin, die den König überzeugte, daß Preußen unter— 
iegen mußte, weil es auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen ein— 
— 
dem Entschluß führte: Das muß auch bei uns anders werden. 
Und es ward anders, trotzdem auch nach dem Frieden ein großes 
iranzösisches Heer im Land stand. Der Friede von Tilsit hatte be— 
timmt, daß die französischen Truppen bis zum 1. Oktober über die 
ẽAbe zurückgezogen sein sollten, falls die dem Lande auferlegten Kon⸗ 
ributionen zur rechten Zeit bezahlt oder genügende Sicherheit für 
hre Bezahlung geleistet werde und der Generalintendant der franzö— 
ischen Armee, Daru, sie als Sicherheit anerkannt habe. Preußen sollte 
bis zur Räu— 
mung alle fran— 
zösischen Trup— 
hen ernähren; 
unerwähnt blie— 
ben die Höhe 
der Kontribution 
und der Zeit— 
raum ihrer Ab— 
ahlung; Kalk— 
reuths Leichtsinn 
hatte das über— 
ehen, und die 
Folge war, daß 
das gesamte 
preußische Ge— 
biet bis in den 
derbst 1808 be— 
setzt blieb, daß 
so lange 160000 
Mann Fran— 
zosen in preu— 
zischer Kost wa— 
en. Während 
ieser zwei Jahre 
erpreßte Napo— 
eon dem armen 
'ande an Kon— 
tributionen, 
Verpflegung 
ind Lieferungen 
1129000000 
rranken, d.h. den 
echzehnfachen 
Jahresbetrag 
einer Rohein— 
iahmen. Ein 
Bild aus dieser 
Zeit der Be— 
drückung gibt 
uns S. 318319. 
Noch in Tilsit 
zerief der König 
ufHardenbergs 
Rat den Frei— 
serrn v. Stein 
siehe Einschalt— 
aild) an die Spitze 
des Ministeri— 
ums, damit unter 
seiner Führung 
das Staatsge— 
zäude neu er— 
richtet werde. Es 
Jelang. „Indem 
der Staat sich 
nnerlich zusam— 
nenraffte, machte 
er sich alles zu 
igen, was Deutschlands Dichter und Denker während der letzten 
Jahrzehnte über Menschenwürde und Menschenfreiheit, über des Lebens 
ittliche Zwecke gedacht hatten. Er vertraute auf die befreiende Macht 
es Geistes, ließ den vollen Strom der Ideen des neuen Deutsch— 
ands über sich hereinbrechen. Jetzt erst wurde Preußen in Wahrheit 
ser deutsche Staat; die Besten und Kühnsten aus allen Stämmen des 
zaterlandes, die letzten Deutschen sammelten sich unter den schwarz⸗ 
X 
Königin Luise bekränzt auf der Flucht nach Memel den Prinzen Wilhelm mit Kornblumen. (Text S. * 
Nach einer Originalzeichnung von A. Zick. 
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