daß nach Wilhelms Tode kein Deutscher sie mehr tragen wollte. An
remde Fürsten verkauften die Wähler ihre Stimmen um schnödes Geld,
ein Teil an Richard von Cornwallis, ein anderer an Alfons von Castilien.
Zo hatte freilich Deutschland zwei Könige, aber in Wirklichkeit so gut
vie gar keinen. Alfons ist z. B. niemals nach Deutschland gekommen.
Man nennt darum die Jahre von 1254451273 das Interregnum
der Zwischenreich. Es war die traurigste Zeit, die unser Vaterland
emals erlebt hat; denn Zwietracht zerriß
ille Bande frommer Sitte und Ordnung.
Fürsten und Stände lagen in ewiger Fehde
und plünderten oder verwüsteten das Land;
iele Ritter wurden Wegelagerer und über—
jelen den Kausmann, der zur Messe zog.
Ja, Rauben und Morden, Sengen und
Brennen war überall an der Tagesordnung,
und kein Richter, kein Recht schützte den
riedlichen Bürger und Bauer vor der Ge—
valt der stärkeren Faust. Als darum im
Jahre 1272, nach dem Tode Richards von
Fornwallis, Papst Gregor X. die Fürsten
Deutschlands ermahnte, durch Wahl eines
deutschen Königs dem trost- und friedlosen
Zustande ein Ende zu bereiten, fand er in
weiten Kreisen des deutschen Volkes die
lebhafteste Zustimmung. Erzbischof Werner
‚on Mainz lud die Kurfürsten, deren Zahl
zum erstenmal auf sieben beschränkt wurde,
nach Frankfurt ein und lenkte die Wahl
auf den Grafen Rudolf von Habsburg,
dessen Besitz in der Schweiz und im oberen
Elsaß lag. Stand er doch wegen seiner
Ritterlichkeit und Frömmigkeit weit und
zreit in großem Ansehen. Von seinem
fjrommen Sinn erzählt der Sänger in
Schillers Ballade „Der Graf von Habs—
burg“ ein schönes Beispiel:
Aufs Weidwerk hinaus ritt ein edler Held,
den flüchtigen Gemsbock zu jagen.
Ihm folgte der Knapp' mit dem Jägergeschoß,
ind als er auf seinem stattlichen Roß
In eine Au kommt geritten,
Fin Glöcklein hört er erklingen fern —
Fin Priester war's mit dem Leib des Herrn,
ßzoran kam der Mesner geschritten.
ind der Graf zur Erde sich neiget hin,
Ddas Haupt mit Demut entblößet,
zu verehren mit gläubigem Christensinn,
Was alle Menschen erlöset,
fin Bächlein aber rauschte durchs Feld,
Von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt,
Das hemmte der Wanderer Tritte.
Und beiseit' legt jener das Sakrament,
Zon den Füßen zieht er die Schuhe behend,
Damit er das Bächlein durchschritte.
Vas schaffst du? redet der Graf ihn an,
»er ihn verwundert betrachtet.
herr, ich walle zu einem sterbenden Mann,
der nach der Himmelskost schmachtet.
ind da ich mich nahe des Baches Steg,
da hat ihn der strömende Gießbach hinweg
zim Strudel der Wellen gerissen.
Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil,
—AV
Durchwaten mit nackenden Füßzen.“
da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd
And reicht ihm die prächtigen Zäume,
Daß er labe den Kranken, der sein begehrt,
Und die heilige Pflicht nicht versäume,
Und er selber auf seines Knappen Tier
Vergnüget noch weiter des Jagens Begier;
der andre die Reise vollführet.
And am nächsten Morgen, mit dankendem Blick,
da bringt er dem Grafen sein Roß zurück,
Zescheiden am Zügel geführet.
Nicht wolle das Gott,“ rief mit Demutssinn
der Graf, ‚daß zum Streiten und Jagen
das Roß ich beschritte fürderhin,
das meinen Schöpfer getragen!
Und magst du's nicht haben zu eignem Gewinst,
So bleib' es gewidmet dem göttlichen Dienst!
Denn ich hab' es dem ja gegeben,
Von dem ich Ehre und irdisches Gut
Zu Lehen trage und Leib und Blut
Uünd Seele und Atem und Leben.“
Derselbe Priester soll später Kaplan des Erzbischofs von Mainz
geworden sein und ihm die fromme Tat Rudolis erzählt haben. Werner
Burggraf Friedrich III. von Nürnberg überbringt dem Grafen Rudolf von Habsbut
elbst schuldete dem Grafen Dank, weil er von ihm einst sicher über die
Alpen geleitet worden war. Sein Vorschlag, Rudolf zum König zu
erhöhen, gefiel den Wählern; denn nur einen Fürsten minderer Macht,
zen sie unter ihrem dauernden Einfluß halten konnten, wollten sie auf
den Thron erheben. Einige, die noch schwankten, wurden durch die in
Aussicht gestellte Vermählung mit einer Tochter Rudolfs gewonnen, und
'o kam denn am 29. September 1273 seine Wahl zu stande. Burg—
zraf Friedrich von Nürnberg, sein treuer Vetter, überbrachte ihm
ie frohe Kunde, als er eben gegen den Bischof von Basel zu Felde
lag. Eiehe untenstehendes Bild.) Schnell schloß er mit dem Bischof
einen Waffenstillstand und eilte nach Frankfurt.
In Aachen wurde er dann am 24. Oktober unter dem größten
Jubel des Volkes gekrönt. Mit 20000 Rittern, so erzählt der Chronist,
hatte man ihn in die Stadt eingeholt, so daß die Heerstraße auf drei
Meilen hin die Scharen nicht zu fassen vermochte. Nach der Krönung
vollte er die Fürsten in der Kirche belehnen, wie es jeder neue König
achruht seiner Erwählung zum deutschen Könia. Nach einem Gemälde vor
tun mußte. Als man aber am Altar stand, zeigte sich, daß das Reichs
zepter nicht zur Hand war, auf welches der Lehenseid geleistet zi
werden pflegte. Um jede üble Vorbedeutung zu beseitigen, ergriff Rudol
schnell ein Kruzifix und sprach: „Dieses Kreuz, durch das die Wel
erlöst wurde, wird ja wohl die Stelle eines Zepters vertreten können.“
Siehe Bild S. 84.)
Nachdem die Aachener Festlichkeiten zu Ende waren, zeigte Rudoli
in einem ehrerbietigen Schreiben seine Wahl dem Papst Gregor X. an
ind bat ihn um die Kaiserkrönung. Zugleich bestätigte er ihm alle
Machtansprüche in Italien, ja versprach sogar einen Kreuzzug. Aber
veder Romfahrt noch Kreuzzug sind zu stande gekommen; denn Rudolf
Ferglich Italien mit der Höhle des Löwen, von welcher der Fuchs der
Fabel sagt: „Ich sehe wohl die Fußstapfen derer, die glücklich hinein—
kommen, aber nicht derer, die wieder herauskommen.“ So blieb die
Baupttätigkeit des Königs auf Deutschland beschränkt.
„Während alle Fürsten Rudolf als König auerkannten, hatte sich
bis dahin Ottokar, König von Böhmen,
geweigert. Dieser Fürst hatte während des
Interregnums Osterreich, Steiermark,
Kärnten und Krain unter seine Herrschaft
gebracht und als der mächtigste Reichsfürst
selbst nach der deutschen Krone gestrebt.
Seiner stolzen Seele war der Gedanke un—
erträglich, einem armen Grafen, wie er
Rudolf spottend nannte, Unterwürfigkeit
schuldig zu sein. Rudolf forderte die Zu—
rückgabe der Länder, welche Ottokar an fich
gebracht, als erledigte Reichslehen. Auf
zwei Reichstagen war der stolze Böhmen—
könig geladen, ohne zu erscheinen. Auf
einer dritten Versammlung zu Augsburg
erschien ein Bischof als sein Gesandter und
griff in einer lateinischen Rede Rudolfs Wahl
und Königtum mit harten Worten an.
Dieser aber gebot ihm Stillschweigen und
sagte: Herr Bischof, wenn Ihr mit Euren
Geistlichen zu reden habt, so sprecht Latei—
nisch, so viel Ihr Lust habt; hier aber
sprechet Deutsch, wie es Brauch ist!‘ Er
befahl dem Bischof, sofort abzureisen; dann
erfolgte der Spruch des Fürstengerichts,
der Ottokar ächtete und aller seiner Lehen
verlustig erklärte. Da aber der Böhmen—
könig auf seine große Macht troßte, so
beschloß Rudolf, den Reichskrieg gegen ihn
zu eröffnen.
„Durch Bündnisse gestärkt, rückte er
ungehindert in Osterreich ein, dessen Ein—
wohner, der strengen Herrschaft Ottokars
überdrüssig, sich fast alle ohne Schwertstreich
unterwarfen. Ottokar mußte sich im Jahre
1276 zu einem Vergleiche bequemen, indem
er Osterreich, Steiermark, Kärnten und
Krain abtrat, Böhmen und Mähren aber
als Lehen empfing. Die feierliche Belehnung
erfolgte öffentlich in Rudolfs Lager.
„Bald aber fühlte Ottokar bittere
Reue, sich gedemütigt zu haben, und die
Spöttereien und Vorwürfe seiner ehrgei—
zigen Gemahlin reizten ihn noch mehr auf.
Er griff von neuem zu den Waffen, und
es kam zur Schlacht auf dem Marchfelde
bei Wien im Jahre 1278. Rudolf hatte
befohlen, Ottokars Leben zu schonen, dieser
aber einen Preis demjenigen versprochen,
der ihm seinen Gegner tot oder lebendig
liefern würde. Furchtbar wütete der Kampf;
Ottokar wurde erschlagen; Rudolf, von einem
oöhmischen Ritter vom Pferde geworfen,
lag unter diesem, und nur sein Schild, mit
welchem er sich bedeckte, rettete ihn vor den
Zufen der über ihn stürmenden Rosse. Bald hob er sich unter seinem
Pferde empor und errang den Sieg.“ (Aus Stacke, Erzähl. a. d. Gesch.
d. Mittelalters.) Nach der Schlacht zeigte man ihm die Leiche Ottokars,
und er kniete zu stillem Gebet vor ihr nieder. (Ziehe Bild S. 85.
Rudolfs Königtum war jetzt unbestritten, und seine Hauptsorge
war nun darauf gerichtet, seine Hausmacht zu vermehren, um den
Fürsten gegenüber seine Stellung zu sichern. Zu diesem Zwecke verlieh
r seinen Söhnen Albrecht und Rudolf die österreichischen Lande und
Jermählte seine sechs Töchter mit angesehenen Fürsten, z. B. Guta mit
We