Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Mitteilungen der Kgl. Württemberg. Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1911, Bd. 6, Heft 1/12)

Rechten und zur Linken entsteht etwas, was die ortsein— 
zesessenen Kirchenbesucher höchstwahrscheinlich nicht als be— 
sonders feierlichen Zugang schätzen mögen, was aber als stiller, 
über dem Verkehr der Straße etwas erhobener Vorplatz 
des noch friedlicheren Kirchhofs von ganz besonderem Reiz ist. 
Windfangwand einer Eingangshalle. 
Der Windfang ist in gebirgigen Orten wie Leutkirch, 
für dessen neues Oberamtskorporationsgebäude nebenabge— 
bildeter Teil einer Cingangshalle bestimmt ist, eine unum— 
gängliche notwendigkeit. Kommt man zu dieser Erkenntnis 
erst nachträglich, so sieht 
man selbst an Gebäuden, 
die etwas „Besseres“ dar— 
stellen, jene unglücklichen 
Dorbauten aus holz oder 
Cisen und Glas entstehen, 
die das schmuckste Bild ver⸗ 
derben können. Aber auch 
bei rechtzeitiger Berücksich⸗ 
tigung bringt der Wind— 
fang Schwierigkeiten, die 
insofern meist ungelöst 
bleiben, als man sich be— 
gnügt, den Windfang als 
Aasten, wie im ersteren 
Falle vor, so nun in das 
haus selbst zu verlegen. 
Im vorliegenden Fall 
ist versucht, den Windfang 
so einzubauen, daß durch 
ihn in Verbindung mit zwei 
seitlichen Nischen als gut 
belichtete und „rückenfreie“ 
Schreibplätze die Halle an 
der Eingangsseite eine wir⸗ 
kungsvolle Gliederung er—⸗ 
fährt. Die Bemalung ist 
in der angedeuteten Art im 
ganzen Raume durchgeführt 
und wird bei aller Einfach⸗ 
heit dem Charakter einer 
halle ebenso gerecht, als 
durch sie die sonst so häufig 
anzutreffende Kälte derar— 
tiger Räume einer ge— 
wissen Behaglichkeit Platz 
nachen wird. 
33 G 
Die Kunst des 
Drehers 
— — — — 
findet im Baugewerbe heute nicht mehr die Beachtung, die 
ihm eigentlich zukommt. Wie eine Zeitlang die Maler über 
die schreckliche, die „weiße Zeit“ klagen konnten, so ist 
heute auch der Dreher beim hausbau lang nicht mehr in 
dem Maß beschäftigt wie früher. Das hat nun aber seinen 
Grund nicht etwa darin, daß seine Erzeugnisse zu teuer oder 
von anderen, besseren ersetzt werden könnten. Im Gegen— 
teil — es steht dem Baumeister wenig zur Verfügung, was 
mit ähnlich geringem Kostenaufwand derartig gefällige 
Wirkungen zu bieten vermag als wie eben die Erzeugnisse 
der Drehbank. Und es mangelt auch heute noch nicht an 
Helegenheiten, diese Erzeugnisse zu porwerten — von der 
daustür angefangen bis zu den Treppen, ja bis in die 
Pohnung hinein, überall bieten sich für des Drehers Kunst 
hickliche Gelegenheiten. Daß diese Kunst aber heute trotz⸗ 
dem so sehr vergessen ist, das hat keinen andern Grund, 
ils wie ihn die „weiße Zeit“ der Maler ebenfalls hatte: 
die Mode. 
Als man anfing auch in der Mietswohnung sich ein— 
ichten, d. h. soweit als möglich nach eigenem Geschmack 
ich in ihr heimisch machen zu wollen, da gelang es in—⸗— 
ofern verhältnismäßig rasch, als unsere Möbelfabriken 
diesem Wunsche Rechnung trugen und so dem Mieter gar 
bald eine große Menge ge— 
ichmackvoller, solider und 
moderner Möbel zur Ver—⸗ 
fügung standen. Anders 
aber verhielt es sich mit 
dem, was Maler und 
Tapezier zu der Wohn⸗ 
lichkeit beitragen konnten. 
Da sie wie in unseren Miets⸗ 
häusern, meist im Voraus 
schaffen, ohne den zukünf⸗ 
tigen Mieter und seine 
Sonderwünsche zu kennen, 
so waren sie sich selbst über⸗ 
lassen und schafften keinem 
recht. Das war der Grund, 
daß namentlich die, Decken⸗ 
pinseleien“ der Maler arg 
in Verruf kamen und der 
hausbesitzer nur klug tat, 
unnötige Ausgaben hiefür 
zu sparen. So machte sich 
mit der Zeit eine Vorliebe 
für weiße Flächen immer 
mehr und mehr geltend, 
bis sie schließlich geradezu 
zur Mode wurde. Erst tat⸗ 
kräftiges Vorgehen, wie 
das der Münchner Maler⸗ 
meister, die mit ihrer „Aus⸗ 
stellung bemalter Wohn⸗ 
räume“ zeigten, was sie 
zu leisten fähig sind, hat 
den Malern über die „weiße 
zeit“ hinweggeholfen. 
Nnicht weniger Mode⸗ 
sache ist es, was den 
Dreher heute so sehr außer 
Brot setzt. Als zu Beginn 
der neuen Bewegung im 
Runstgewerbe und in der 
Zaukunst das „Warenhausmöbel“ in Acht und Bann getan 
vard, da war es vielfach die ihm angeflickte Dreherarbeit, 
in der man es zu erkennen glaubte. Tatsächlich aber ver⸗ 
vielt es sich so, daß die Dreherarbeit an diesen Möbeln meist 
ioch das Beste war und nur dazu diente, das Auge zu 
»lenden und von der Unsolidität des Übrigen abzulenken. 
lichtsdestoweniger setzte sich mit der Zeit ein Vorurteil gegen 
alle Dreherarbeit fest, so daß man ruhig von einer Mode 
prechen kann, die aber an sich nicht mehr Berechtigung 
at als jede andere Mode. Darin üiegt gleichzeitig auch 
»in Trost. Denn wie jede Mode, wird auch diese verschwin— 
den und die Kunst des Drehers zu neuen Ehren kommen. 
Klischees Die Klischees der meisten in „Bauplatz und Werkstatt“ bis jetzt erschienenen Abbildungen werden auf 
. kurze Zeit gegen eine Leihgebühr von M. 3. — für das Stück ausgeliehen, es ist also gleichgültig, 
welche Größe die Abbildungen zeigen. Die näheren Bedinaungen sind von der Beratunasdtelle bei Bezug zu erfahren. 
Herantwortl. Schriftleiter Paul Schmohl, Direktor d. Kgl. Baugewerkschule, Vorst. d. Beratungsstelle f. d. Baugewerbe; Druck u. Verlag von 
Tarl Grüninger, beide in Stuttgart. — Für d. Bezieher d. Gewerbeblattes a. Württemb. unentgelti. Im Buchhandel in Halbjahrsh. M.3.—jährl. 
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