Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Mitteilungen der Kgl. Württemberg. Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1917, Bd. 12, Heft 1/12)

Die Möbel müssen für ihre alten Tage schön bleiben. Es 
ist auh ohne weiteres einzusehen, daß die Kinder und 
die Feau, die viel im Stall bei den Siegen zu tun hat, 
piel Schuutz in die gute Stube bringen wurden. Dies 
dedeutet außßer der Muhe, das Essen und das Geschirr 
oon der Kuche in die Siube zu tragen, eine erhedliche 
Mehrarbeit. Kurz und gut, die Stube soll geschont 
werden und die Srau hat kKeine Seit, sie auch noch durch 
tägliche Reinigung instand zu halten. Unsere Ein— 
wendungen, daß ooch der Raum brach liege, und daß es 
doch oiel schöner und gemütlicher ware, in der Stube zu 
wohnen, versteht sie nicht. 
Diesem Mizstand kann der Architekt abhelfen, wenn 
er Kuche und Wohnstube vereinigt zur Wohnkuche, mag 
er sich auch einer Raumverschwendung bewußt sein, denn 
auf die gute Stube darf er trotzdem nicht verzichten, 
weil sie der Stolz der hausfrau ist und weil hier die 
scchönen Möbel fuür Besucher zur Schau gestellt sind. 
Damit soll nicht gesagt sein, datz die Sutte des Wohnens 
in der Kuche in jeder Familie besteht, immerhin ist sicher, 
daß sie in den unteren Schichten des Volkes vorherrscht. 
Eine Mo lichkeit, die Leute zum Bewohnen der Stube 
zu zwingen, besteht darin, die Kuche möglichst klein und 
in engster Derbindung mit der Stube anzuocdnen, so daß 
die Kuche zum Bewohnen keinen Platz bietet. Ob sich 
aber die hausfrau unter diesem öwang wohl fuhlt, erscheint 
seyr fraglich. Also ist die Mohnkuche das Ergebnis der 
Uatersuchung. Sie soll zweckmäßig, jedoch so angelegt 
werden, daß der Küchenteil, in dem herd und Spultisch 
stehen und der mit Steinfußboden versehen ist, vom Wohn— 
teil, in dem Tisch und Schrank stehen und der Holzfuß— 
boden hat, möglichst getrennt ist. 
Um den weiteren Raumbedürfnissen auf die Spur zu 
kommen, erkundigen wir uns weiter, zunächst wo die 
Amder schlafen, und erfahren, daß das einjahrige im 
Ainderwagen und das dreijahrige im Kinderbenchen im 
s5chlafzimmer der Eltern unergebrocht sind. Den gemaß 
muß das Schlafzimmer genugend Raum für die Betten 
der Eltern, mindestens eines Kindes, den Kinderwagen, 
den Schrank und den Waschtisch haben. Das große 
zwölfjährige Kind schläft nicht im vierten Raum, sondern 
in der gaten Stube. Daodurch ist es möglich, dieses 
1. Zimmer an einen Junggesellen zu vermieten, und die 
gute Stube hat als Schlafraum ihre Daseinsberechtigung. 
Die Frau führt uns jetzt in den Raum der vier— 
füßigen Mubewohner, in den Siegenstall. Ihre Pflege 
scheint ihr auzerocdentlich wichtig zu sein, denn sie liefern 
ihr die Milch fur die Kinder und verschaffen ihr durch 
den Verkauf der übrigen Milch eine schätzenswerte Ein— 
nahmequelle. Das Futter wirft zu einem beträchtlichen 
Teil der Garten und die anschließende kleine Wiese ab, 
so daß die Unterhaltung des Viehs nicht zu teuer kommt. 
Der Futterraum, der zur Abhaltung der Stalldünste 
zwischen Stall und Wohnküche liegt, ist angefüllt mit Sutter 
und einigen hausgeräten. hier steht das Handwägelchen, 
das sie zur Hereinschaffung des Futters und zum Trans— 
port der Gartenerträgnisse auf den Markt nötig hat. hier 
ist auch der hühnerstall, der ihr durch Verkauf der Cier 
Deld einbringt. Im Norfall kann sie auch noch ein Schwein 
einstellen. 
Die Frau zeigt uns jetzt den kleinen Keller, der von 
der Küche aus bequem zu erreichen ist. Sie benützt ihn 
außer zur Lagerung von Kohlen, Kartoffeln und des Most⸗ 
fasses auch zur Ausbewahrung der Milch und der Speisen⸗ 
oorräte. Das holz, das sie für den herd braucht, hat 
sie im obersten Dachdreieck, in dem sie, wie sie erzählt, 
auch noch Pratz hat. die Wäsche zum Trocknen aufzu— 
ängen. Diese Erklärung veranlaßt uns, zu fragen, wo 
ie überhaupt ihre große Wasche abhalt, da sie ja keine 
Daschküche hat. Wir erfahren nun, daß das Geld beim 
zau des hauses nicht gerreicht hätte, auch noch eine Wasch—⸗ 
zuche vorzusehen, daß sie sich aber sehr gut dadurch be— 
selfen könne, daß sie Sommers ihre Wasche eben nach 
em guten Wetter richte und im kleinen hof neben der 
lüchenture wasche. Im Winter halte sie die Wäsche in 
»er Küche ab, der herd sei so eingerichtet, daß sie auch 
inen größeren Waschkessel aufsehen könne. Diese Vor— 
ichtung sei sehr praktisch auch für den Fall, daß sie ein 
Zad nehme oder ihre Umder bade. Wir sehen naäher zu 
ind gewahren, daß die Badewanne unter dem Rüchentisch 
teht, der als Klapptisch eingerichtet ist und an der Wand 
sochgeklappt werden kann, eine sehr sinnreiche Cinrich⸗ 
ung. Bei der Badefrage erinnern wir uns, daß der 
Imerikaner bei seinen allerkleinsien Häusern versenkbare 
zadewannen einrichtet, die unter dem Rüchenboden an— 
jebracht sind und mit einem holzdechel überdeckt werden. 
jn solchem Fall muß naruürlich fur geregelten Ablauf des 
Passers aus der Wanne gesorgt werden. Bei Besichtigung 
es Herdes fallt uns angenehm auf, daß ein kleiner Gas— 
erd angeschlossen ist, welcher nach der Außerung der 
zrau gule Dienste leistet und die Arbeit des Feuermachens 
bnimmt. Die Srau erzählt, daß die Gaskocheinrichtung 
auptsächlich für die Nachbarin geschickt sei, die mit ihrem 
sann in die Fabrik gehe und die zur Mittagszeit das 
kssen, das sie abends Juvor zubereitet habe, einfach auf 
»em Gas erwärme. Cine andere Frau, die ebenfalls aus— 
pärts arbeite und keine Gaseinrichtung besitze, habe mit 
der Kochkiste gute Erfahrungen gemacht. Sie koche 
norgens vor dem Weggehen zur Arbeit die Speisen an 
ind stelle sie dann in die Kochkiste, worin sie weiter⸗ 
zochen und mittags zur Essenszeit fertig seien. 
Wir gehen nochmals die gerade einläufige Treppe 
⸗mpor, die weitgehendste Raumausnützung ermöglicht, 
ind gelangen zuerst zum Abort, der aus Gründen der 
Zaumausnutzung in den 1. Stock gelegt ist. Die Frau 
indet keinerlei Nachteile dabei, daß der Abort nach oben 
zerlegt ist. Die ganze Famiie hat gesunde Beine, so daß 
»as Treppensteigen nichts schadet. Das obere Simmer ist 
in einen Invaliden vermietet, der es sehr angenehm 
empfindet, daß er, um zum Abort zu gelangen, keine 
Treppe steigen muß. Beim Nachbar ist es anders; der 
hat den Abort im Erdgeschoß, weil er im Kieg ein 
zein verloren hat und das Treppensteigen ihm be— 
chwerlich fallt Schluß folgt. 
zi Die K. 
Kurse für verstümmelte Duzernamele 
8r1 für Gewerbe 
kAngehörige des Baugewerbes. ozee 
erunstaltei seit Marz 1915 Kurse für versrümmelte Ange⸗ 
sörige des Baugewerbes. Dieselben stehen unter der 
deitung der Beratungsstelle für das Baugewerbe 
ind sollen den Zweck haben, Bauhandwerker, welche in⸗ 
olge ihrer Verletzung ihren erlernten Beruf nicht mehr aus⸗ 
iben können. zu einer verwandten Tätigkeit heranzubilden 
für das Baugewerbe 
Die Beratungsstesse] erteilt den Angehörigen 
amtlicher Sweige des Baugewerbes, sowie Staats- und 
hemeindebehorden Rat in allen künstlerischen und technischen 
jedoch grundsätzlich nicht in baupolizeilichen und rechtlichen) 
Fragen. Sie überarbeitet oder begutachtet Skizzen, Ent— 
vürfe und Detailzeichnuungen. Mündliche Auskünfte (auch 
elephonische) kostenlos Dienstags und Donnerstags von 
33214/37 Uhr nachm., Freitags von 9—/31 Uhr vorm. 
in dem Gebäude Kanzleistraße Ur. 2600 in Stuttqart. 
Derantw. Schriftl Oberbaurat PaulSchmohl Dir. d. K. Baugewerkeschule, Vorst. d. Beratungsstelle f. d. ßBaugewerbe; Verl.v. Wilh. Meyer-Ilschen 
Ruck von Carl Grüninger, sämtl. in Stuttgart. — Für d. Bezieher d hewerbeblattes a. Württemb. unentgeltl. Im Buchhandel M. 3.50 iähr⸗
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.