Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Mitteilungen der Württemberg. Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1922, Bd. 17, Heft 1/12)

zibt es so vieles zu sehen an kunstvollen Eisen- und Blech⸗ 
arbeiten, an Gittern, Zäunen, Toren, an Aushängschilden 
und Kreuzen, Schlössern und Beschlägen, an Wasserspeiern, 
Kähnern und Rinnenkesseln. Der Meister des Pinsels und 
Farbtopfes endlich findet Anregung an den bemalten Haus⸗ 
wänden und den Bauteilen wie Türen, Läden und Schilder; 
für bemalte Innenräume und Möbel hat er besondere Vorliebe. 
Wer mit Gewinn wandern will, der besehe sich diese 
Schätze alter Handwerkskunst nicht nur oberflächlich und in 
der Gesamtwirkung, sondern beachte auch die dabei verwen⸗ 
deten Baustoffe und die damalige Formgebung und Be—⸗ 
arbeitung und den Aufbau im Zusammenhang und im ein⸗ 
zelnen, ferner die Oberflächenbehandlung, die seitherige Halt⸗ 
barkeit usw. Aufschriebe in dieser Nichtung sind für se — 
Bauleute und Handwerker wertvoll. Doch gibt das Beste 
hiezu eine getreue Naturaufnahme in Blei oder Farben⸗ 
zeichnung mit Maßeinschrieben und Anmerkungen, sofern 
nicht billige Abbildungen erhältlich sind oder selbst photo⸗ 
zraphisch hergestellt werden können. Für Anfänger ist es 
am besten und rätlich, vorwiegend praktische Heimatberufs⸗ 
funde zu treiben. Er wird den Bauten und Werken nach— 
gehen, die in ähnlicher schwerer Zeit wie die unsrige, gegen⸗ 
wärtige erstanden sind. Er wird heute die Einfachheit auf⸗ 
suchen und daraus Vorbilder auswählen, die für unsere 
heutigen einfachen Bedürfnisse fruchtbare Anregung geben 
önnen. Nicht durch gedankenlose Nachahmung sondern in 
oerständigem, sachgemäßem Neuschaffen für die heutigen 
Bedürfnifsse. Hiezu eignen sich die Bauten unserer Vor⸗ 
fahren des vorigen Jahrhunderts bis in die 8dOer Jahre 
herein. Politische Niederlage, Hunger und Armut war das 
Schicksal der Heimat. Es wurde mit Würde getragen und 
bestimmte die ganze Baugesinnung. Da finden wir so vieles, 
was uns heute bei unserer Armut wertvoll ist. Anspruchs⸗ 
losigkeit, Einfachheit im Grundriß, Aufbau und Masse, 
Ruhe in Gliederung, Baustoff · und Farbverwendung. Ferner 
Einheitsmaße( Normen nennen wir's heute) für Fenster, Läden, 
Zeichnungen von Karl Bertsch 
in Stuttgart 
Türen mit Zubehör wenigstens an demselben Gebäude, aber 
uch an mehreren Gebäuden in der Nähe zugleich; einfachfte 
iber vornehme Formen vom Großen bis zum Kleinen, so⸗ 
ide gute Arbeit bei besten Baustoffen. Und dann der Schmuck 
nit Grün, die Dorflinden und Eichen, die kletternden Wein⸗ 
ruben, die Kugelbäume, Oleander in Kübeln vor den Häu— 
ern, die Fenster und Gesimse im prächtigen Blumenschmuck. 
dazu die liebevolle Pflege des Ganzen, die blanken Fenster⸗ 
heiben, das glänzende Messing an den eichenen Haustüren, 
rein gehaltene Höfe, Straßen und Plätze, springende Brun⸗ 
ien usw. Sonnenlicht und Schatten darüber verteilt und 
iber dem allem der lachende, blaue Himmell Doch ist's nicht 
ut, nur dem rein Beruflichen allein nachzugehen. Der freie 
Blick über den Berufszaun hinaus ist nötig, um andere zu 
erstehen und von andern zu lernen, um gemeinsam mit andern 
»ie uns zufallenden neuen Kulturaufgaben unserer Zeit 
eibungslos zu erfüllen. Dazu gehört ein UAeberblick über 
»erwandte u. a. Berufe und deren Schaffen in unserer Zeit, 
ein aufgeschlossener Sinn für alles Schöne, überall in der 
ꝛandschaft mit ihren Straßen, Wegen und Gewässern, 
Bergen und Tälern, Wiesen, Feldern und Wäldern und 
vas in ihnen lebt und webt. 
So lernen wir unsere Heimat kennen, erwerben im Geiste, 
vas wir von unsern Vätern an Schätzen geerbt und be⸗ 
ruchten damit unser eigenes Schaffen. So lernen wir auch 
ie Heimat schätzen und schützen, d. h. Heimatschutz treiben 
eim eigenen Neuschaffen, wie bei fremdem. Und lernen 
ins wehren gegen jede tatsächliche und geplante Verschande⸗ 
ang derselben. — „Die beste Bildung lernt der Mensch 
iuf Reisen“, sagt Goethe und das ist wohl ein Grund, warum 
insere Fachschulen und Förderungsanstalten Stipendien für 
erfolgreiche Berufsstudien auf Reisen und Wanderungen 
an strebsame Leute heute noch geben. 
Die Beratungsstelle für das Baugewerbe ist bereit, Rat⸗ 
schläge zum Wandern im Interesse des Berufs an Bauleute 
und Handwerker zu erteilen. 
Abb. S. 31 aus Darmstadt 
Abb. S. 32 aus Wimpfen a. B— 
464 Herausgegeben vom Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern. 
Schwäbisches Heimatbuch. Wir freuen uns, daß es dem Bund trotz der schwierigen Wirtschaftsverhält— 
nisse gelungen ist, auch heuer ein Jahrbuch herauszugeben. Es ist auch diesmal sehr reichhaltig gestaltet und mit zahlreichen 
Abbildungen ausgestattet, daß es allen Heimatschutzfreunden zur Anschaffung warm empfohlen werden kann, soweit sie nicht 
durch erwerben der Mitaliedschaft sich den ständigen Bezug desselben sichern. Eine eingehende Besprechung des Buches folgt. 
Verantw. Schriftl. Oberbaurat Paul Schmohl, Our. d. Baugewerkeschule, Vorstand d. Beratungsstelle f. d. Baugewerbe; Verlag und Auslieferung Eugen Wabl 
Bauzeituna). Sedanstr. 163 Druck von Carl Grünin«aer Nachf. Ernst RLett, fsämtliche n Stuttgart.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.