Die Bedeufung der
Wettbewerbe für
Baukunst und
Architektenschaft
Wettbewerbe in der
Zeit nach dem Krieg
Anordnungen der
Reichskammer der
bildenden Künste
Die Wettbewerbsaufgabe soll begrenzter Natur sein und wird in der Regel
zweckhafter, konkreter Natur sein. Innerhalb dieses Konkreten wird sie entweder
nehr nach der künstlerischen oder praktischen Seite hinneigen. Die höchsten
zünstlerischen Forderungen werden sich naturgemäß dort zeigen, wo die Volks-
Jemeinschaft, der Staat, die Partei, eine religiöse Gemeinschaft oder sonst eine
yroße Institution als Auftraggeber auftreten. Hier sind die Entscheidungen auch
ım verantwortungsvollsten, denn hier gilt es abzuwägen, was an künstlerischer
’ormgebung für den Augenblick und für die Zukunft den Vorzug verdient.
"roß dieser verschiedenen und großen Schwierigkeiten kann uns der öffentliche
Nettbewerb heute immer noch als der beste Weg zur Feststellung und Auslese
ıiner Spigenleistung, aber auch als ein Weg zur Herausstellung von neuen Ideen
arscheinen, auf den wir nicht verzichten können. Um gerade diesen Zweck und
las Wesen der Wettbewerbe nicht verloren gehen zu lassen, wäre immer darauf
zu achten, die Wettbewerbsbedingungen in jeder Richtung so zu gestalten, daß
ie dem jeweiligen Fall auch bei weiter abliegenden Aufgaben angepaßt werden
<önnen, da erfahrungsgemäß jede Aufgabe wieder anders gelagert ist und einen
ınderen Verlauf nimmt.
"Finden die Wettbewerbe eine derartige Auffassung und Handhabung, so werden
sie stets ein Ausleseverfahren bilden, das der heranwachsenden Jugend Mög-
.ichkeiten bietet hervorzutreten. Damit wirkt er wie eine Art von Jungbrunnen
tür den Berufsstand und verliert den ominösen Beigeschmack, ein Mittel zu bilden,
ım dem routinierten erfahrenen Berufskollegen zu Aufträgen zu verhelfen. Dies
iichert dem allgemeinen offenen Wettbewerb seine Berechtigung. Gleichzeitig
st es der Zweck des Wettbewerbs, die beste Lösung der gestellten Aufgabe zu
inden.Diese Forderung steht nichtimGegensat zur eben geschilderten,sondern ist
yleichlaufend mit der Auslese der Spigenleistung.
3Zetrachtet man die Zeit nach dem Krieg auf diese Ausführungen hin, besonders
was damals in den Bauwettbewerben vorging, so kann gesagt werden, daß von
ler Architektenschaft in diesen Zeiten eine Fülle von Ideen geboten wurde, die
caum zu übertreffen war. Man denke an irgend einen der größeren deutschen
Wettbewerbe z. B. die Ulmer Münsterplagbebauung, die Brückenkopfbebauung
in Köln oder andere.
Vieles aus dieser Zeit werden wir zwar heute ablehnen, aber im Vergleich wird
man doch zugeben müssen, daß unsere heutigen Wettbewerbe „ideenbrav” ab-
‚aufen. Der Abstand zwischen den Spigenleistungen und dem Allgemeinniveau
war früher bedeutend größer. Heute sind die Leistungen ausgeglichener, es
<ommen lang nicht so viele ausgefallene Entwürfe zum Vorschein und die Preis-
Träger stürmen nicht mehr um viele Nasenlängen voraus. Wenn man dafür eine
irklärung sucht, so könnte es diese sein, daß durch eine engere Zielsegung im
Sulturellen gerade in der Architektur auch eine formelle Verengung sichtbar
vird. Eine Nivellierung der Form wird notwendigerweise anhalten, solange die
"ormen keine Wertungen in sich tragen. Trogdem bleibt aber bestehen, daß wir
Nettbewerbe notwendig brauchen, eben damit diese stillgelegten Wasser wieder
n Bewegung kommen und einer gesunden Entwicklung zu dienen vermögen.
Die Art und Weise, wie Bauwettbewerbe in Deutschland heute abzuwickeln
sind und entschieden werden sollen, ist in den „Grundsägen der Reichskammer
l.b.K. für das Verfahren bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst und
les Städtebaus” festgelegt. Vieles von den Anordnungen wurde schon immer
ın ähnlicher Weise geübt. Der frühere Bund Deutscher Architekten hatte eine
Zusammenfassung der Grundsäge im Jahr 1927 veröffentlicht.
Die Frage, was von ihnen in der heutigen Neufassung noch dem Geist der
aeuen Zeit entspricht, ist naheliegend und soll beleuchtet werden. Daß der Grund-
stock als überlieferte Erfahrung zu gelten hat, ist schon vorne gesagt worden.
Die Hauptpunkte der Grundsägße dürfen wohl als bekannt angesehen werden.
s soll aber an dieser Stelle doch ein kurzer Überblick über die Neufassung in
Stichworten wiedergegeben werden, damit sich der Leser vergegenwärtigt, wie
viele Vorkehrungen aus früheren Erfahrungen heraus in den Grundsäten der
Reichskammer ihren Niederschlag gefunden haben.
Fortsetgung folgt