Er sagt hiezu, daß unter allen Umständen die berufliche Typisierung, etwa
Eisenbahnersiedlung u. a. m., zu vermeiden ist, Ebenso ist, nachdem wir keinen
Klassenstaat mehr haben, die Klassensiedlung unmöglich.
„Es dürfen in Zukunft nicht mehr Villenviertel, sog. bessere Viertel, Beamten-
viertel und Arbeiterviertel für sich entstehen.“ (S. 76).
Was man übernommenerweise mit „Viertel” bezeichnet, hat weder mit dem
mathematischen Begriffe '/s, noch mit dem Siedlungsbegriffe etwas zu tun. Auch
der Begriff, wonach „Siedlung”, besonders in der Nähe von Städten mit Altstadt
und vornehmen Wohnvierteln und weniger vornehmen Industrievierteln einen
Beigeschmack von Wohlfahrt und sozialer Unterschicht usw. hat, ist nicht mehr
‘:auglich für die Zukunft. Siedeln ist keine soziologische Klassifizierung, es ist
auch kein soziales Außengängertum, es ist auch kein landwirtschaftlicher
Dilletantismus, es ist auch kein Auffang für Arbeitslose: es steht dieser Begriff
ganz neu zur Frage. Und dafür gibt es keine Vorgänge, kann sie nicht geben.
Infolgedessen müssen wir hier von einem Problem sprechen, das als Aufgabe
der neu-schöpferischen Formfindung vor uns steht, das dem Menschen und der
menschlichen Gemeinschaft und der Landschaft gibt, was diese völkische Lebens-
wirklichkeit in Bezug auf Heimat zu beanspruchen hat.
Wir können also für dieses Problem - insoferne es ein deutsch-völkisches und
ein deutsch-landschaftliches Problem ist, wobei also die technische und die wirt-
schaftliche Seite, obwohl sie mit ihm verflochten sind, dennoch in diesem Sinne
nicht Problem, sondern eben gestellte Aufgabe sind - keine überkommenen
Richtlinien annehmen.
Wo liegen also die Anhalte für die Bewältigung des sogestell-
‚en Problems: Siedlung? —
Es liegt nahe, trogs des soeben Gesagten, auf das natürliche Wachsen und Werden
anserer guten alten Städte und Dörfer hinzusehen. Dazu eignen sich, weil sie
neuen topographischen und baulichen Überblick geben, die Flugbilder. Wir
werden in eine Vergangenheit versett, in der noch überall ein natürlicher In-
stinkt und dessen Treffsicherheit bei den Bauleuten gewaltet haben muß. Denn
die Anlagen zeigen in der Straßenführung, im Platgausschnitt, in der Häuser-
gruppierung ein Bild, das vom planenden Intellekte niemals so erfunden werden
könnte, das aber von ihm als durchaus richtig aufgenommen wird, Diese Bilder
sind, mathematisch gesprochen, Strukturen höheren Grades als es geometrische,
oder auch „heimatschüßglerische“ Entwürfe je sein können. Sie sind Prägungen
des organischen Werdens, also nicht verstandesmäßig berechnet, sondern in-
stinktsicher getroffen - sie sind Runengebild, aus dem das schicksalhafte Werden
dieser ganz bestimmt sich formenden Bürgergemeinschaft spricht - oder das im
Jahrhundertgang verwitterte Gesicht des Stadtgeistes, Und daraus ist zu sehen:
daß eine menschliche Gemeinschaftsbildung im Generationenkampfe um diese
Bildung - und das sind in Freud und Leid die notwendigen Taten um der Lebens-
gemeinschaft willen, die eben Stadtgeist schafft - Raumesspuren braucht und
gestaltet, die ungleich schwerer wiegen als irgend eine Form, die erdacht werden
zönnte (siehe Flugbild Blaufelden in Württemberg).
Aus dem beigegebenen Flugbilde von Blaufelden kann keine Straßenführung,
keine Plaggestaltung heute und für andern Ort übernommen werden. Alles ist
dort so arteigen geprägt, daß es so sinnlos wäre, wie wenn man von einer in
sich ausgebildeten Persönlichkeit äußere Formen entlehnen wollte. Im Organis-
mus ist alles im Bezug zum Ganzen an seinem genauen Ort und in seiner ge-
aauen Funktion notwendig, außerhalb des Organismus angebracht muß es sinn-
und wesenlos werden. Wir haben viele Beispiele in Deutschland, welche den
Versuch des Entlehnens und Nachahmens alter deutscher Stadtbilder darstellen,
wir haben kaum Beispiele vom gelungenen Versuche dieser Art. Es ist Erfahrung,
daß man hier nicht nachahmen kann; es ist aber damit über eines noch gar nichts
ausgesagt: daß uns diese Vorbilder zeigen können, welch höhere und heute