Full text: Bauplatz und Werkstatt / Monats-Zeitschrift der Staatlichen Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1936, Bd. 31. Heft 1/2)

ZUR EINFÜHRUNG DES JAHRGANGS 1936 
Mit der Dezembernummer 1935 haben die fortlaufenden Veröffentlichungen über die einzelnen Fach- 
leistungen des Handwerkes am Bau das Ziel erreicht, welches wir uns mit dieser Aufgabe gestellt hatten. 
Diese Veröffentlichungen ergaben das zweibändige Sammelwerk: „Baukunde für die Praxis”. 
Die Beratungsstelle tritt nun mit zwei neuen Abhandlungen an ihren Leserkreis heran, von denen jede 
ainzelne Fragen behandelt, die weder übersehen noch verzögert werden dürfen. Für beide Stoffgebiete 
sehen wir unsere Aufgabe darin: jenen Kreisen Anregungen zu geben, die mit der Praxis dieser Gebiete 
heute betraut sind. Wir erfüllen aber die hiermit gestellte Aufgabe nur, wenn wir in sachlicher Folge- 
richtigkeit für beide Gebiete Gedanken und Vorschläge bringen, die wirklich an sich neu, und aus der 
Zeit heraus auch neu gefordert sind. 
Die beiden neuen Stoffgebiete lauten: 
1. „Zeitgemäße Forderungen an das Siedlungswesen” und 
2. „Neugestaltung der Industriebauten“. 
Wenn wir unseren Lesern neue oder zeitgemäße Gedanken zur Siedlungsfrage vorlegen, so 
verbinden wir damit die Frage: Welches Bild einer Siedlung lebt heute in uns? Es ersteht in der Vorstel- 
‚ung sofort das typische Bild der Reihung. Und zwar eine ästhetisch saubere Reihung von möglichst 
gleichen Elementen von Siedlungshäusern, die entweder den Giebel oder die Traufe zeigen. Die Hausform 
ist heute vollkommen klargestellt. Das deutsche Giebel- und Walmdach hat die kubische Hausform des 
„Bauhauses” und des „neuen Frankfurt“ endgültig abgelöst. Allein, wie steht es mit dem Bebauungs- 
yedanken der Reihung? Jeder kennt die langen gleichartigen Zeilen der Siedlungen in Karlsruhe, Frank- 
{urt, Celle und Dessau. Auch unsere neuesten Siedlungen, bei denen Giebelhaus an Giebelhaus gereiht in 
andloser Zeile steht, lassen die Frage aufwachen: „Möchtest Du in einem dieser Häuser wohnen?” Sie ist 
durchaus nicht überflüssig; denn noch immer, wo sie in den zahlreichen Besprechungen gestellt wurde, mußten 
wir ein „Nein“ als Antwort hören. Als letzte Möglichkeit wählte man noch eines der Eckhäuser. Wenn 
nan darüber auch zuerst erstaunt war, so fand man doch bald die psychologische Begründung für die 
Ablehnung: Werden derartige Siedlungen besonders starr durchgeführt, wird sich der einzelne samt seiner 
Familie nie richtig heimisch und -bodenständig fühlen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, es bedarf einer 
angeheuer ernsten und gründlichen Selbstprüfung, um sich klar zu sein darüber, was noch von alten An- 
schauungen in uns lebt, und was dem Wesen und Geiste der neuen Zeit des Nationalsozialismus ent- 
spricht und gerecht wird. Was bei der Hausform hinsichtlich des Daches erreicht ist, muß auch auf die Be- 
oauungsgedanken ausgedehnt werden. Durch zeitiges Klarlegen solcher Verhältnisse kann manches verhin- 
dert werden, was in der Zukunft dem sozialen Aufbau und dem Gedanken der Volksgemeinschaft große 
Schäden zufügen kann. Die Klärung dieser Fragen und weiterhin auch solcher der Volkswirtschaft hält 
die Württ. Beratungsstelle für das Baugewerbe für eine wichtige Zeitaufgabe. Einwandfreie fertige Vor- 
schläge machen zu wollen, wäre eine Vermessenheit. Gelingt es aber an Hand von Beispielen, auf die 
Zernfragen hinzuweisen, so ist der Zweck solcher Veröffentlichungen erreicht. 
Die Abhandlung: „Neugestaltung der Fabrikbauten” mit praktischen Beispielen von Arch. 
Heinrich Osthus, Stuttgart, trifft sich zeitlich mit der Bestrebung der heute geforderten Industrieverlagerung. 
Die Kommission für Wirtschaftspolitik der NSDAP. hat durch ihren Leiter Bernhard Köhler ebenfalls in 
neuester Zeit auf die Tatsache hingewiesen, daß eine Verbesserung des Wirkungsgrades in der Güter- 
erzeugung um etwa 30 Prozent notwendig und möglich sei. Eine durchgreifende Rationalisierung wird 
jefordert. Wenn die Württ. Beratungsstelle für das Baugewerbe an solch einem Zeitpunkt den Versuch 
macht, zu diesen einschneidenden Fragen einen Beitrag auf ihrem Gebiet, dem Baugebiet, zu liefern, so 
‘ut sie es, um auch ihre Auffassung von Rationalisierung zur Geltung zu bringen. Sie stellt damit ihren 
Anteil zu der umfassenden Arbeit, welche Staatsrat Dr. Ley innerhalb der Deutschen Arbeitsfront dem 
‚Amt für Arbeitsführung und Berufserziehung“ (Leiter: Dr.-Ing. h. c. Arnhold) übertragen hat. Der 
Srzeugungsapparat muß auf letzte Vollendung gebracht werden und stets auf rationellste Be- 
riebsführung eingestellt sein. Unsere Ueberzeugung ist, daß das Bauliche selbst, das Gehäuse und die 
Anordnung entscheidend auf die Erzeugung wirkt. So wie das Herz und alle anderen Organe an bestimm- 
er Stelle im Körper liegen, so muß auch im Fabrikbetrieb jeder Vorgang am richtigen Platize eingeordnet 
werden können, wenn der letztbeste Erzeugungssatz erreicht werden soll. Diese letztbeste Anordnung, die 
Jei einer neuen Fabrik eine Verbilligungder erzeugten Ware bis zu 30 Prozent gegen- 
über einer alten schlecht angeordneten Fabrik erbringen kann (am hier veröffentlichten Beispiel 
erprobt), ist scheinbar nur in einem Zustand oder in einer Größe, nämlich im Zustand der projek- 
tierten Ganzform erreichbar. Sobald die Fabrik aber darüber hinauswächst, verliert sie die beste An- 
ordnung zwangsläufig. 
‘lier setzt der Gedanke des organischen Fabrikbaues ein und macht den Sprung zum Endzustand. Die 
Fabrik wird von Anfang an auf ein bestimmtes Maß festgelegt. Dieses Maß ist kein intellektuelles Maß, 
wie etwa: 100 Arbeiter, 1000 Arbeiter usw. Das Maß ist aus dem Erzeugungsvorgang selbst zu gewinnen 
ınd ergibt sich aus dem Ausweitungsverhältnis der kleinsten ganzbetriebsfähigen Einheit zu 
der Grenze, wo weitergehende Vergrößerung Betriebsrisiko und Betriebsschaden werden muß. Dieses 
Verhältnis kann auch so bezeichnet werden: Plane so, daß deine Anlage jede Steigerung des Betriebes 
sinnvoll aufnehmen kann, daß sie aber bei einer Minderung bis zur kleinsten Betriebsfähigkeit auch die- 
ser organische und nicht belastende Umhüllung sein kann! — Es handelt sich also um die bewegliche 
Spanne von der Einheit der kleinsten Betriebsfähigkeit bis zu dem Endzustande einer Ausweitung, die 
noch volle Uebersicht und wirkliche Betriebsverantwortung gestattet. Durch die Arbeit „Neugestaltung 
der Industriebauten” soll ein Beitrag zur Mobilmachung der deutschen Industrie und zu dem heute so 
schwierigen Problem der Ausfuhr geliefert werden, nämlich Verbilligung der Ware bis um 30 Prozent bei 
Jleichzeitiger Einhaltung der Löhne und bei Ausschaltung der Stoppuhr, die der deutschen Würde der 
Arbeit nicht entspricht.
	        
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