Betrachten wir nun zum Vergleich eine alte Holz-
konstruktion, so wie sie z. B. Abb. 1 zeigt, so können
wir folgende interessante Beobachtung machen.
Dem Architekten, der immer für ästhetische Werte
etwas übrig hat, lacht das Herz im Leib. Er ist be-
geistert von der Kunst der Alten. Und das mit Recht,
lenn es geht in der Tat eine starke künstlerische
Wirkung von einem solchen Werk aus.
Dem „Hölzernen” (dem, der ständig mit Bauholz um-
geht) wird es nicht so gehen. Und dem Holzbau-
ingenieur erst recht nicht. So groß ihre Achtung vor
solchen Dimensionen ist, so wird bei ihnen sofort
die Kritik wach und es wird der unnötige Aufwand
an Holz kritisiert, Sie werden als Praktiker auch so-
fort einwenden, daß wir uns heute so etwas nicht
mehr leisten können. Und damit haben sie den
ınangreifbar richtigen Standpunkt eingenommen,
Jzegen den der Architekt mit ästhetischen Gesichts-
punkten einen schweren Stand haben wird, insbe-
sondere im Zeichen des Vierjahresplans. Mit dieser
Erfahrung wenden wir uns dem nächsten wichtigen
Punkt zu.
Ahb. 1. Alte züniftige Holzkonstruktion in einer Kelter
Der sichtbare Fachwerksbau. Es schwebt uns hier
ein alter gediegener Fachwerksbau vor, wie ihn etwa
die Abbildung 2 zeigt, bodenständig, freundlich
und sehr solid. Denn an Holz wurde nicht gespart, weder in der Zahl der Pfosten,
Büge, noch an ihrer Dimension. Die ganz guten alten Fachwerke sind Eichenholz!
Aber so etwas können wir uns heute eben nicht mehr leisten. Weder das
Eichenholz, noch die Anzahl der Hölzer, noch ihre Querschnitte. Wir müssen im
Sinne des Vierjahresplans auch hier fordern, daß alle Querschnitte statisch
bestimmt werden. Und nun auf diesem Punkt angelangt, ist es wiederum inte-
ressant zu beobachten, daß der Architekt, und dieser kommt ja beim Fachwerksbau
als Gestalterin erster Liniein Frage, sich die dünnsten
statisch errechneten Querschnitte solange gefallen
läßt, als sie nicht nach außen in Erscheinung treten.
Sobald aber ein solcher Querschnitt sichtbar wird
und somit als ästhetisches oder formales Bild auf-
tritt, sträubt sich das architektonische Empfinden
gegen das Minimalmaß, das vom Standpunkt des
Sparens das Ideal ist. Der Architekt hat für sein Teil
recht, denn ein zu dünnes Fachwerk wirkt ärmlich
und dürftig und ist nicht geeignet, jene anheimelnde
Stimmung zu verbreiten, die wir vom Fachwerk ken-
nen und verlangen. Es erscheint uns unumgänglich
daß man unterscheidet zwischen demalten Fachwerk,
das alle schönheitlichen Vorzüge aufweist, weil man
von Anfang an mit diesen rechnete und demjenigen,
das nie für Außenwirkung gedacht war. Leider meh-
ren sich die Fälle, wo Fachwerke letterer Art frei-
gelegt werden und dann dem schönen alten Fach-
werksgedanken nur schaden. Immer muß bei einem
Werkstoff eine werkgerechte Durchbildung und eine
saubere Baugesinnung vorliegen und erst auf dieser
Voraussegung kann dann eine schönheitliche Wir-
zung aufgebaut werden. Im modernen Fachwerks-
3au kommt man demnach in einen Zwiespalt, sobald
nan sichtbares Fachwerk machen will. So sehr
wir die Bestrebungen nach bodenständiger, freund-
lich anheimelnder Bauweise, wie sie im sichtbaren
# Foto Landesbildstelle Württembera. ©
Abb 2.* Echtes sichtbares Fachwerk a. Rathaus in Strümopfelbach