Das Schwinden bei den verschiedenen Holzbausystemen.
Die alte Fachwerksbauweise.
Der Fachwerksbau hat im vielfältigen Verlauf der
Bauentwicklung in Deutschland bis jegt immer wie-
der seine Lebensfähigkeit bewiesen und sich einer
großen Beliebtheit erfreut. Bei ländlichen Bauten ist
er auch heute noch unentbehrlich.
Als besonders starker Nachteil der althergebrachten
Fachwerksbauweise wurde aber stets das starke
Schwinden des Holzes rechtwinklig zur Faser em-
pfunden, das hier allerlei Schäden nach sich zieht.
Eine Hauptursache dafür ist die Art des stockwerks-
weisen Aufbaus, bei dem jedes Stockwerk für sich
und in sich abgebunden wird, Durch die hiedurch
verursachte starke Anhäufung von Querholz, wie
es durch die bekannte Anordnung von Schwellen,
Pfetten und Balken geschieht, wirkt sich das Schwin-
den zusammen mit der Pressung der Hölzer in stärk-
stem Maße aus (s. Abb. 74*). Bei einem dreistockigen
Fachwerksgebäude beträgt z.B. die gesamte Höhe
des Querholzes aus Schwellen - Pfetten - Balken
schon 1,10—1,30 m. Das Schwindmaß für das übliche
zum Bauen verwendete Nadelholz beträgt, frisch
geschnitten verarbeitet 6—10°%, Nehmen wir für
frisches Holz nur einen Durchschnittswert von 5%,
so ergibt sich für ein dreistöckiges (nach der alten
Konstruktion) erstelltes Fachwerksgebäude ein
Schwindmaß von 5—6 cm, dazu kommen noch die
Einpressungen der Pfosten in das querlaufende Holz
der Schwellen und Pfetten. Dieses Einpressen kann
durch ungleiche Lastverteilung, sowie durch zu
schwache und teilweise zu kurze oder ungleich ge-
stellte Pfosten oft sehr einseitig erfolgen. An alten
Fachwerksgebäuden kann man daher oft beobachten,
wie sich besonders der Pfetten- und Schwellenkranz
unter und über den Balkenlagern geradezu wellen-
[örmig gesett hat.
Der Außenpug kann aber die Segungen der Holz-
konstruktionen nicht mitmachen und so kommt es
dann zu den bekannten Pugrissen, Abschiebungen
und Ausbauchungen des Putes. Richtig gesett oder
zur Ruhe gekommen ist ein Fachwerksbau erst nach
5—6 Jahren. Doch ist es praktisch unmöglich, etwa
mit dem Anbringen des Außenputges 5 Jahre zu
warten. Um die vom Sockel bis zur Traufe durch-
gehende Putgschicht zu vermeiden, hat man schon
irüher zu dem Mittel gegriffen, die Fachwerksge-
bäude von Stockwerk zu Stockwerk zu überseben,
d.h. also jede Balkenlage einige Zentimeter über
die unter ihr befindliche Wand überstehen zu lassen.
Dadurch waren dann die Segungen durch Unter-
jeilung auf die einzelnen Stockwerke beschränkt.
Vom Standpunkt der sparsamen Holzdimensionie-
sung ist ein weiterer Nachteil dieser Bauweise zu
arwähnen. Charakteristisch für das alte Holzfachwerk
Abb. 74. Alter stockwerksweiser Fachwerksbau mit Pietten- und Schwellenkranz
zwischen dem Erdgeschoß und I. Stock,
Abb. 75. Verbesserter stockwerksweiser Fachwerksbau. Die
Wände des Erdgeschosses und des Obergeschosses stoßen in
ainem gemeinsamen Pfettenkranz zusammen.
) Die Abbildungen 74—77 sind mit Erl. d. Verlags Jul. Hoffmann-Stuttgart
Jem Sonderheft über die Kochenhofsiedlung in Stuttgart „Moderne Bau-
ormen” 11/1933 entnommen.