Der Rundbogen bot die Möglichkeit für die früheren Menfkhen, daß fie alles, was ihre
Seele an Welt= und Lebensinhalten aufgenommen hatte, - mozu cben damals auch der
über dem Menfchen gemölbte Himmel gehörte, - in einem bildhaften, künftlerifchen Ein=
klange durch das Rund in das Innere eines Baumerkes tragen konnten. Sie mußten diele
nhalte nicht, - um bildhaft zu Iprechen, - am Tore zurücklaffen.
Diele künftleriich=meltanfchaulichen Überlegungen galten hauptfächlich den kultifchen Bauten,
vo man in das Innere durch das Portal die Seelenftimmung tragen konnte, melche der
Blick zum Himmelsgemwölbe, das man göttlich belebt empfand, erregt hatte.
Dasfelbe tritt uns beim Fenlter entgegen. Beim Fenfter kam es nicht nur auf den Blick in
die Ummelt an, e8 kam vor allem bei den kultifchen Bauten auf das Hereinferömen der
überirdilchen Ummelt in das Innere an. Ohne diefes Zroeifache, das mir im meiteren Sinne
den Ausblick und die Einlicht nennen können, mar der einzelne Menkh, der ich als Per=
'önlichkeit im Ganzen abfondern mußte, nicht denkbar. Wir müllen fo einen Gedanken-
zang entrmoicklungsgekchichtlich als notwendig anlehen.
Beim Koloffeum ift es fo, wie wenn fich die gedanklichen Fenfterachfen alle auf dem Mittel»
und, melches Schauplag der Kämpfe mar, treffen würden. Wir können das künftlerifche
3ild folgendermaßen ausfprechen: Der mit Göttervorftellungen bevölkerte Umkreis ftrömt
konzentrifch auf der Arena zulammen und erhebt fomit die Kämpfe dort auf den Plan der
Verbundenheit mit der Göttermelt! ,
Damit erhielten die Spiele für den Römer die überirdikche „Weihe“. Nur fo können wir
vieles verftehen, mas uns an diefen Spielen Fonft vielfach abftoßen müßte.
Gehen mir noch einen Schritt weiter zurück in der Baugefchichte und betrachten mir die
allyrifchen Stadt= und Tempelbauten, fo werden mir auch an ihnen die Richtigkeit unferer
Anfehauungen beltätigt finden. An einem folchen Bilde it für unlere Betrachtung der Rund=
Jogen des Eingangstores wichtig, weil er zu einer Zeit auftritt, die ganz andere Seelen=
und Geiltesinhalte hatte,
Wir kommen zu einem klaren Verftändnis, wenn wir ein Folches Bild, das ein Stadttor
zeigt (Abb. 30), fo genau mie möglich auf das hin befehen, was es wirklich zeigt: ein
ıohes, mit Rundbogen abfchließendes Tor wird zu beiden Seiten von mächtigen Turm=
bauten flankiert. Diele Türme mie auch die angrenzenden Mauerflächen find mit Tierdar=
tellungen verfehen. Man kann diefe Tiere, die nicht naturaliftifkh find, Fabelroefen nennen
wollen. Diele Darftellungen ftimmen aber mit denen überein, welche uns das Altertum für
die Sternbilder überliefert hat. Wir haben heute andere Auffallungen über die Geltirne,
Wir dürfen aber, wenn mir die Alten verktehen mollen, unfere Auffallungen da nicht übers
lagern, fondern müllen den Tatbefltand Mprechen laffen: diefer Ift einfach fo, daß die Alten
diefe Bildvorfktellungen für die Geltirnsmelt gefehaffen haben und von deren Wahrheit übers
zeugt maren. Unter dem Schugße Folcher Gottheiten empfanden die Alflyrer, auch andere
Völker, ihre Stadt. Viele Stadtnamen, wie Bern, oder der römifche Wolf ulm., deuten dies
auch heute noch an. Die Städte hatten wirkliche Göttermappen. Die überlieferten Wappen:
Adler, Löme, Schlange, Bär ulm.
zeugen heute noch von diefen ver=
klungenen Vorftellungen.
Jehmen mir unter dieflen Voraus=
'e6ungen die Relieftiere und den
dundbogen des allyrifchen Stadt=
‚inganges, foergibt fich folgende
Yorltellung :
Unter dem Schuße des Bogens
fe der Eintritt und der Austritt
durch‘ das Tor ein Gang, der
nerfeits die Verbundenheit mit
den im Kosmifchen vorgelftellten
SGöttermeflen gibt, andererleits
den Schub der Abfonderung von
deren Walten. Wir können lagen,
daß der Allyrer erdenlicher und
göttlich=verbunden zugleich durch
fein Stadttor Ichritt.
Abb. 30. Alfyrifche Stadt= und Tempelbauten
(Fartlekung folat}ı