Abb. 31
Rembrandt: „Der Philofoph”
Wir fehen einen Mann in der damals üblichen Gelehrtenkleidung, in einem Lehnftuhle
ißend. Seine ganze Haltung deutet auf den nachlinnenden Gelehrten. Vor ihm liegt, vom
“enfter erhellt, ein großes, aufgefchlagenes Buch. Der Raum hat Rundbogenformen, die
auf Wandkonfolen heruntergehen. Zmwikchen zwei folcher Konfolen liegt ein Fenfter. Es hat
zbenfalls Rundbogenform und ift zmeigeteilt, und zwar der mwagrechten, wie der [enk=
‚echten Richtung nach. Die obere Teilung gibt mieder zwei Bogenfeniter, zwikhen denen
ich ein kleines Kreisfegment ausfpart. Links von dem Gelehrten führt eine befonders
indrucksvoll gewendelte Treppe, die fich ohne fenkrechte Spindel in der eigenen piralig
abgemwickelten Kreisform trägt, nach oben. Am Hintergrund ift noch eine Bogentüre zu
bemerken.
Im andern Bilde, das den hl. Analtafius darltellt, fit dieler an einem runden Tikche. Wir
'ehen eine große, Fchöne Decke auf dem Tifch und darauf alte Bücher. Eines davon iIft auf=
zefchlagen. Der Heilige, ein {tattlicher alter Mann mit weißem Bart und rundem Käppchen
‚jefe darin. Das Licht eines Rundbogenfeniters gibt ihm hell zum Lefen. Er fist
zwifchen Fenfter und Buch. Der Raum felbft hat Rundbögen, die ich zweifach geftuft über
ınd um das Fenfter legen. Legteres ift in zwei Bogenhälften geteilt. Der Raum enthält noch
einen Hausaltar. Ein zurückgefchlagener Vorhang gibt den Durchblick in einen zweiten
Raum. Das Bild if zei Jahre früher gemalt als das Bild des Philolophen. Man
nuß fich, um dem tieferen Sinne beider Daritellungen näher zu kommen, fragen, ob mirk=
lich die Titel nicht vertaufchbar mären?
Wenn fich einem finnigen Eingehen auf die Bilder ergibt, daß diele Vertaufchung nicht
möglich märe, dann kommt man zu folgender Feltftellung: daß der tiefere Sinn jedes ein=
zelnen Bildes nicht allein mit der dargeftellten Perfon gegeben ift, - die jerveils ein alter
Mann ift. - Tondern mefentlich mit der dargeltellten Eigenart des Raumes.
Beide Räume, die mir ablichtlich nach ihren Beftandteilen befchrieben haben, ind genau
fo dargeltellt, daß der eine Raum eben der künfktlerikch=mahre Philofophenraum ift, der
andere der Raum für einen Heiligen. Wir mülffen beides aus Rembrandt’s Zeit und aus
feiner Aufgabenftellung begreifen.
Verfucht man diefe Andeutungen in die Bildbetrachtung hineinzutragen, fie an den Bildern
zu prüfen, fo mird man das im Fchönften Sinne gerechtfertigt finden. Man kann lich fragen:
was macht das Wefen eines Philofophen aus und mas macht für den, der dies in feinem
Slauben hatte, das Welen eines Heiligen aus? Beide haben eine Beziehung, die über das
Nur=[rdifche hinausgeht, die beim Philofophen das Geiltige, beim Heiligen das Göttliche
zu umfalfen ftrebt. Für beide Beziehungen kommt die Rundform künftlerifch in Betracht.