Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Monats-Schrift der staatlichen Beratungsstelle für das Baugewerbe (1937 / Sonderdruck)

Abb. 32 
Rembrandt: „Der Heilige” 
Rembrandt drückt vieles durch die Genialität feiner Lichtführung aus. Der „Heilige“ fitt 
im Lichte, der Philofoph erringt fich das Licht. Deshalb ift es ein fchöner Griff, daß Rem» 
brandt feinem Raume die aus dem Kreife entwickelte, Kich felbft tragende Wendeltreppe gab. 
Beiden if der gewölbte Raum, als ein verinnerlichtes künftlerifkches Nachbild des Himmels= 
gemölbes, eigen. Für beide kommt aber der Unterfchied in der Art der Wölbung in Be= 
tracht. Deshalb ift es befonders reizvoll, daß das Philolophengemwölbe auf Kraglteinen 
’uht, mie eben des Philofophen höchfte Erkenntniffe auf der geficherten Erdenlogik beruhen. 
Der Heilige figt dagegen in einem Raume, dellen ganze Geltaltung aus dem hereinferömenden 
Himmelslichte beftimmt ift. 
So find auch die Fenfter gehalten. Beide find oben rund. Wichtig für den Unterfchied find 
die Unterteilungen. „Der Heilige” hat, künftlerifch gefprochen, im Fenfter nur die eine klare 
Linie nach oben, der Philoroph hat die Überkreuzung der Wag= und Senkrechten. Das 
3eht folgerichtig bis in’s Kleinfte durch beide Bilder. Der Philofoph Mist am rechteckigen 
Tifch, dem Erdentikch, der Heilige am runden Tifche, dem Himmelstikhe. Und mie der Himmel 
ährlich über das Irdikhe den Blütenteppich zaubert, fo iflt des Heiligen Tilch mit einem 
Teppich belegt. 
Das [ind nur einzelne Gelichtspunkte. Sie laffen fich künftlerifch in allen Teilen beider Bilder 
zrkennen. Daraus ift als Einficht fehr viel zu gerinnen, das in den Zufammenhang unferer 
Betrachtungen gehört. Und es ift fo bedeutfam, weil es ung hier die Genialität Rembrandt’s 
mitteilt, der keinen andern Grund haben konnte, als für feinen „Heiligen“ und für feinen 
„Philofophen”” Formen als Wefensausdruck zu finden. 
Wir lernen aus Rembrandt’s Kunlt für uns umgekehrt das Weflen eines Formausdruckes 
kennen: wir können uns hier fragen: wie ift für den Welensausdruck eines Philo= 
l[ophen, der den Weg von der irdikchen Erkenntnis zum Emigen fucht, eine Innenraum- 
geftaltung künftlerifch zu finden, - entlprechend für den Heiligen, der auf Erden im gött- 
lichen Lichte lebt? Und mir fehen, mie Rembrandt diele Fragen künftlerifch=treffend beant- 
mortet. Er tut es mit dem Rund der Raumdecken und befonders Fehön mit den Formen 
der jeweiligen Fenfter, mit der Anordnung des Fenkters und mit der Lichtführung vom 
Fenfter zur Perfon.
	        
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