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Der Investiturstreit
Achalmer Grafen hielten sich Kuno und Liutold zu König Rudolf,
Egino und Bischof Werner von Straßburg zu König Heinrich.
Der Kampf der Ideen, in der Enge mit leidenschaftlicher Anteilnahme
ausgefochten, griff rasch auf das persönliche Gebiet über und die gegen—
seitige Gehässigkeit fand ihren Niederschlag in zahlreichen Berichten,
die wir über die Ereignisse dieser Zeit auch aus Schwaben und Fran—
ken besitzen. Es war verhängnisvoll für Heinrich, daß die Reform—
gedanken nach der Überzeugung der meisten tief religiösen Menschen
dieser Zeit das höhere Recht auf ihrer Seite hatten und so die Beherr—
schung der Geister in Deutschland durch die Kurie stetig wuchs.
Die strengen Reformer waren natürlich durchaus gegen Heinrich
gestimmt; ihnen erschien der Widerstand gegen die der Simonie ver⸗
dächtigen und gegen die beweibten Priester als heiligste Pflicht. Vor
allen Reformklöstern nahm Hirsau seine Stellung auf seiten der
Gegner des Saliers; Abt Wilhelm gehörte zu dessen eifrigsten und
überzeugtesten Feinden. Hirsau wurde ein vorzügliches Bollwerk der
Gregorianer wie des Gegenkönigs; im Sommer 1077 feierte Rudolf
dort das Pfingstfest); er hat auch das Kloster beschenkt'). Gegen Ende
Februar des Jahres waren von Gregor zwei Abgesandte, der Kardi—
naldiakon Bernhard und der gleichnamige Abt des Reformklosters
St. Viktor in Marseille, nach Deutschland geschickt worden; sie hatten
der Königswahl zu Forchheim angewohnt und dann Rudolf durch
Franken und Schwaben begleitet. Als Abt Bernhard und der mit
ihm ziehende gelehrte Mönch Christian nach Italien zurückreisen woll—
ten, überfiel sie Graf Ulrich von Lenzburg und brachte sie in Gewahr—
sam auf seine Burg, wo sie ein halbes Jahr gefangen lagen'). Nachdem
sie auf Bitte des Abts Hugo von Cluni entlassen worden waren, fan—
den sie eine Zuflucht in Hirsau; fast ein Jahr, vom Oktober 1077 bis
zum September 1078, weilte der kluge und gewandte Abt in dem
Schwarzwaldkloster und suchte von hier aus die deutschen Bischöfe
gegen Heinrich zu bearbeiten; ein gehässiges Schreiben an den Erz—
bischof Udo von Trier hat sich noch erhalten. Er hat Wilhelm bestimmt,
die kluniazensischen Gewohnheiten in Hirsau einzuführen: Hirsau sollte
der Vorort der kluniazensischen Reformbewegung in Deutschland sein,
wie es Cluni selbst für Burgund, die christlichen Länder der iberischen
Halbinsel und für Frankreich geworden war'). Bernhard von St. Vik⸗
tor reiste von Hirsau nach Rom, starb aber schon im Juli 1079, als er
nach Marseille heimkehren wollte, auf dem Wege. Nach Hirsau, das
den kräftigen Schutz seines Vogtes, des Grafen Adalbert, genoß, zogen
) Bernoldi chronicon, M. G. h. S8. V p. 4341: celehrato pentecoste apud cellam sancti
Aurelii. — 2) Codex Hirsaugiensis fol. 26a, Schneider S. 26, M. G. h. 88. XIV p. 265.
3) Meyer v. Knonau III S. 30. 80 ff. Hauck 111 S. 813. — 9) Albert Brackmann, Die poli—
tische Wirkung der kluniazensischen Bewegung: Histor. Zeitschrist Bd. 139 (1929), S. 42ff.