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Die Hirsauer Klosterbewegung
sen: jedem Verstorbenen solle nach Glockengeläute gesungen und ihm
dann sieben Messen und sieben Äümter gefeiert werden')). Azelin von
Blaubeuren verabredete mit Wilhelm von Hirsau und andern Äbten
eine Verbrüderung'); es ist auch noch das Bruchstück einer Blaubeurer
Totenliste mit Angabe hingegangener Mönche aus Hirsau, Odenheim,
Ottenbeuren, Rheinau und Comburg erhalten'). St. Blasien stand in
Gebetsgemeinschaft mit Fructuaria, Hirsau und Marseille, auch mit
andern Klöstern, darunter Altdorf, Zwiefalten, Alpirsbach und Com—
burg, sowie mit Wiblingen, Neresheim und Isny, die während der
neunziger Jahre des 11. Jahrhunderts entstanden sind').
Bis an sein Lebensende war Abt Wilhelm unermüdlich tätig, Tau—
sende haben ihn bewundert. Von Hirsau ist uns noch eine Schilderung
seines Äußeren erhalten'): er war von hoher Gestalt, der vordere Teil
des Oberhaupts kahl; er hatte ein längliches Gesicht von dunkler
Farbe, eine mächtige Stimme, schlanke Finger und einen hageren Kör—
per. Sein Leben stand wie das Gregors VII. im Dienste der Kloster⸗
und Kirchenreform; nie hat er aus selbstischen Beweggründen gehan—
delt; ihn trug die innere Sicherheit, ein Werkzeug Gottes für diese
Welt zu sein. Während aber Gregor unbedenklich auch krumme Wege
einschlug und ganz unwürdige Menschen zu Helfern nahm, hat Wil—⸗
helm im Kampf schlechte Mittel anzuwenden offenbar verschmäht.
Selbst in dieser haßerfüllten Zeit wird sein Charakter von keinem
Schriftsteller der Gegenseite angegriffen. Seine ehrfurchtgebietende,
überlegene Persönlichkeit, der beredte Mund, die unerbittliche Strenge
gegen sich selbst, seine tiefe Frömmigkeit vermochte die Hirsauer Brü—
der wie die Mönche der sich anschließenden Klöster zu fesseln, mit sei—
nem Geiste zu beseelen und auf den Wegen zu führen, die er für die
richtigen erkannt hatte. Daß er sich selbst im eigenen Konvent nicht
leicht durchgesetzt hat, daß manche mit seinen Zielen nicht einverstan—
den waren, bekümmerte ihn noch auf seinem letzten Lager: „Eines
war“, sagte er, „was mich sehr quälte und beschwerte, was ich Gott
und euch klagen will. Einige Brüder lebten bei uns mehr nach der
Klugheit des Fleisches als in der Einheit des Geistes, beunruhigten
mich häufig mit ihren Reden und Anschlägen und widersetzten sich der
Einfachheit unseres Vorhabens. Aber der allmächtige Gott hat sie
Mann für Mann von uns getrennt und vom Kloster entfernt““). Bald
nach der Einweihung des von ihm erbauten neuen Münsters erkrankte
er; viele besuchten ihn noch, auch der ihm nah befreundete Bischof
Adalbert von Worms'). Nachdem er die letzte Wegzehrung erhalten
) Wirt. Urk.B. V S. 372, Nachtrag 4 (zwischen 1086 und 1091).
2) Tubingius bei Sattler, S. 354 ff. — 2) Ebenda S. 355.
) M. G. h. Necrologia I p. 327 8d.
5) Cod. Hirs. fol. 4b. — 8) vita Willihelmi a. a. O. p. 2910. 29. 7) Ebenda p. 222 0. 30.