Full text: Württembergische Kirchengeschichte bis zum Ende der Stauferzeit

Hirsau 
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ausgeführt'). Jedenfalls hatte die Fälschung am Königshofe Erfolg: 
schon zwei Jahre später, 1107, wurde sie von der königlichen Kanzlei 
als Muster übernommen und immer wieder angewandt“). Außerdem 
war aber durch die gelungene Überarbeitung den Hirsauern Klöstern 
ein Vorbild gegeben, das in den folgenden Jahrzehnten viele dersel— 
ben zur Nachahmung gereizt hat. 
Der Vogt des Klosters Hirsau, Graf Gottfried von Calw, hat jeden⸗ 
falls die Schmälerung seiner Rechte nicht ohne weiteres dulden wol⸗ 
len; wir sind freilich über den entstandenen Zwist nicht unterrichtet. 
Aber diese Zeit des Haders ließ den Mönchen nun die Vergangenheit 
in einem Lichte erscheinen, das tiefe Schatten auf das Grafenhaus 
warf; die Pflicht der Dankbarkeit gegen dieses und die Anerkennung 
seiner großen Verdienste um die Abtei schien lästig, nachdem man mit 
seinem Hauptvertreter in einen Streit um das gegenseitige Rechtsver— 
hältnis verwickelt war. Es setzte sich die natürlich anfangs geflissentlich 
genährte Meinung fest, daß die Vorfahren des Grafen wesentlich den 
Niedergang des alten Klosters aus der karolingischen Zeit verschuldet, 
sich dessen Besitz widerrechtlich angeeignet und die alten Urkunden ver⸗ 
nichtet haben, ja daß die Burg Calw selbst auf ursprünglichem Kloster⸗ 
grund gebaut worden sei. Graf Adalbert habe die Güter ohne Recht 
befessen, bis er von Papst Leo, der ihm mit dem göttlichen Gerichte 
drohte, veranlaßt worden sei, sie herauszugeben und das Kloster wie—⸗ 
derherzustellen. So erschien die Neugründung nur als das Wiedergut— 
machen alten Unrechts: was Adalbert tatsächlich gestiftet hatte, wurde 
schon als Eigentum des ursprünglichen Klosters ausgegeben. Die Fa— 
bel drang auch in die schriftliche Uberlieferung Hirsaus, den Codex 
Hirsaugiensis, ein'). Ganz verzerrt ist das Bild des frommen Grafen, 
der das Kloster ins Leben gerufen hatte und zuletzt noch als Mönch 
in dasselbe eingetreten war, in der das Leben des großen Abts Wil— 
helm schildernden Niederschrift'): Als Wilhelm von Adalbert zum Abt 
berufen wurde, forderte er für das Kloster die volle Freiheit; der Graf 
tat, als ob er ihm in allem Folge leisten werde. Er begab sich mit 
Wilhelm an den Königshof und fertigte mit weltlicher Schlauheit un— 
ehrlicherweise eine Urkunde an, die er mit dem königlichen Siegel be— 
stätigen ließ, während die Taubeneinfalt Wilhelms nichts davon ahnte. 
Aber insgeheim teilte die Gemahlin Adalberts dem Abte den Betrug 
mit, und nun sah der Graf sein Unrecht ein, gab das Kloster frei und 
verzichtete auf alles Eigenrecht. Er ließ die erste Urkunde vernichten 
und nach dem Rate gottesfürchtiger Männer eine neue anfertigen: 
V Cod. Nirs. fol. Sy. — Siehe Albert Naudé, Die Fälschung der ersten Reinhards— 
brunner Urkunden, 1883. Hirsch: Mitteil. des Osterreichischen Instituts XXV, S. 4142418. 
9) An zwei Stellen, die von verschiedenen Verfassern herrühren, fkol.2 b und 2543 und b. 
Siehe Lutz a. a. O. S. 459 ff. — 4) vita Willihelmisc. 3 a. a. O. p. 212.
	        
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