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Schwarzwaldkreis. Oberamt Roltweil.
stoßenden Strebepfeilern belebt werden, weil die Hauptmasse dieser Pfeiler nach innen
gezogen ist und hier tiefe Kapellen bildet. Die größte Kapelle, dem heiligen Nepomuk
geweiht, nimmt den Raum südlich vom Hauptschiff und westlich vom Turm ein, trägt
oben an ihrer Südwestecke die Jahreszahl ihrer Vollendung 1534, und ist im spä
testen gotischen Geschmack gehalten. Die ganze Anlage der Kirche erinnert sehr an
die der Stiftskirche zu Stuttgart. Das Mittelschiff steigt nur wenig über die Pult
dächer der Seitenschiffe hinauf und wird von ganz kleinen Rundfensterchen durchbrochen.
Höher aber ist der Chor, der zu den schönsten Chören unserer gotischen Kunst gezählt
werden darf. Starre, strenge, weit vorspringende Strebepfeiler steigen an ihm hinauf
und gehen in blumige Giebel aus; dazwischen hohe, vierteilige, prachtvoll gefüllte
Spitzbogenfenster. Denselben Stil zeigt die nördlich angebaute zweistöckige Sakristei.
Unter und über den Chorfenstern ziehen sich — eine in Rottweil beliebte Anordnung
— kleine, mit dem Drei- oder Vierblatt gefüllte Rundfensterchen hin.
Der sehr stattliche, hohe, viereckige Turm, mit sehr dicken Mauern und einer
Wendeltreppe in der Manerdicke, ist in seinen drei untern Geschossen spätromanisch,
hat wulstige Rundbogenfriese und im dritten Geschoß wirklich großartige Bogenfenster;
in denselben tragen Säulchen, mit sehr schönen Blütterkapitäleu, das aus zwei Spitz
bögen und einem Kreis zusammengesetzte urtümliche Maßwerk. Das vierte Geschoß
des Turmes enthält vier große spitzbogige Schallfenster mit großlöcherigem gotischem
Maßwerk, und hat über sich ein kolossales achteckiges, mit Kupfer gedecktes Zeltdach,
aufgesetzt nach dem Brande von 1696.
Vor dem Haupteingang in das südliche Seitenschiff wölbt sich ein zierlicher, auf
zwei reichgegliederten Freipfeilern ruhender Vorbau, der zugleich mit der Nepomuks-
kapellc in einem schon mit Renaissanceformen vermischten Stil erbaut wurde. Uber
den zum Teil verwitterten Kapitalen der beiden Freipfeiler stehen auch teilweise be
schädigte steinerne Figürchen: Christophorus, Barbara, Christus u. s. w., und an den
Schmalseiten der Vorhalle aus Konsolen die vier Kirchenväter. Den schönen Schluß-