Full text: Jahres-Bericht der Königlichen Polytechnischen Schule Stuttgart (1868/69)

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pflegte, das Volk erlustigt. Es wird kurz vor der Reformation des „Osterspiels“ im Stifte, 
welches von Beutelsbach 1321 schon nach Stuttgart verlegt wurde, (mit dem fürstlichen Erb- 
hegrähniss der heutigen Stiftskirche zugehörend,) gedacht; und wie seit Jahrhunderten die 
Bauern in Oberammergau noch heute biblische Stücke zur Aufführung bringen, so thaten diess 
die Bürger bei uns. 
Im Jahre 1558 führte eine Gesellschaft „das Spiel Esträ“ bei Hof, im Jahre 1559 
„das Spiel Tohia“ im Lustgarten auf, im Jahre 1571 „das jüngste Gericht“ auf dem Markt 
platze. Dabei gerieth durch das Höllenfeuer das Schaugerüste in Brand. Die Teufel liefen 
davon und als das Feuer näher an den Thron Gott-Vaters herankam, fing er an zu zanken 
und Alles ging unter allgemeinem Gelächter auseinander. 
Aehnlich diesen Bürgerspielen waren die Schul-Comödien, welche Lehrer mit Schülern 
darstellten. Der berühmte Dichter Nicodemus Frischlin führte 1575 vor dem Herzoge die Comödie 
„Rebekka“ auf, am 12. Mai 1581 brachte Leonhard Engelhard mit seinen Schülern im Lust 
garten die Geschichte des „Tobias“ zur Darstellung. 1590 spielte Pfarrer Birk von Unter 
türkheim mit seinen Schulkindern vor dem Hof und Consistorium eine von ihm verfasste Co 
mödie mit geistlichen Liedern über: die Karten- und Würfelspieler. 
Eine regelmässige Schauspielergesellschaft kam im Mai 1597 zum erstenmale nach Stutt 
gart, es waren Engländer, (unter denen nach einer bekannten, neu entdeckten Notiz auch 
Shakespeare gewesen sein soll,) welche sieben Tage lang vor dem Hofe spielten, ohne Zweifel 
im Lusthaus, und dafür von Herzog Friedrich neben freier Kost noch 300 fl. bekamen. 
Im Jahre 1603 brachte der englische Gesandte mehrere englische Musiker und Comö- 
dianten hieher, die mit der württembergischen Hofkapelle ein Wettkoncert anstellten und „das 
Schauspiel Susanna“ aufführten. 
Natürlich waren diese Volksfeste nicht so glänzend als die Hoffeste, insbesondere Her 
zogs Friedrich, z. B. gelegentlich der Feier seiner Ernennung zum Ritter des Ordens des blauen 
Hosenhandes und gelegentlich seines Vermählungsfestes im Jahre 1609. Diese Feste bestanden 
in Ritterspielen, welche an die Stelle der Turniere des Mittelalters getreten waren, in Jagden, 
Feuerwerk und in dramatisch musikalischen Aufführungen. Die Ritterspiele empfingen ihre 
Weihe durch die Anwesenheit der Damen. Jeder Ritter holte sich von seiner Dame das Band 
und wenn er gesiegt hatte — den Lohn. Gefechte zu Fuss und zu Pferd, meist in Kostüm, 
wechselten ah. Den Schluss bildeten die Kübelturniere, wobei die Hofdiener auf schlechten 
Pferden in ausgestopften Kleidern, mit Kübeln statt der Helme, und Stangen statt der Lanzen 
gegen einander kämpften. Zu diesen Belustigungen diente die Rennbahn vor dem Lusthause. 
Die dramatisch-musikalischen Aufführungen fanden im Lusthause selbst statt.
	        
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