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und ihre Schwesterkünste, Malerei und Bildnerei, griffen frühzeitig zu den Alten zurück. Man
fand, dass den Werken der Antike immergültige, in sich vollendete Formen für gewisse, im
Wesen der Architektur selber begründete Gesetze eigen seien.
Dieser Eenaissance-Styl der Periode von 1450 bis 1550 ist eine Verbindung der Lehren,
welche der gothische Pfeiler- und Gewölhehau und die gothischen Gliederungen gegeben haben,
mit den griechisch-römischen Formen.
Die vielen Privatbauten, Paläste, Gemeindebauten etc., mehr weltliche als kirchliche
Aufgaben, waren nun aber ganz anderer Art, als die Griechen und Eömer, als die Baumeister
des Mittelalters sie zu lösen hatten. Von einem Copiren konnte daher bei den Architekten des
15. Jahrhunderts keine Kede sein. Sie waren bei ihren neuen mannigfachen Bedürfnissen auf
eigene Erfindung angewiesen, ln ihrer Auffassung im Grossen, in der Gruppirung der Räume
waren sie selbstständig, zur Construktion und Dekoration bedienten sie sich in freiester An
wendung der gothischen, wie der römischen Bauweise. Sie hatten an den gothischen Domen,
an welchen der christlich mittelalterliche Geist seinen höchsten Ausdruck fand, gesehen, dass
das Prinzip der vertikal gen Himmel aufstrebenden Linie in seiner äussersten Consequenz ver
derblich war. Die allen Einflüssen der Witterung blosgelegten wichtigsten Construktionsstücke,
die Pfeiler und Strebebogen, durchbrochene Thurmdächer etc. mussten fortwährend ausgebessert
werden, während römische Bauwerke ohne Unterhaltung Jahrhunderten trotzten. Diese Lehren
gingen an den Baumeistern des 15. Jahrhunderts nicht fruchtlos vorüber, und sie suchten das
in der Gothik zur äussersten Consequenz getriebene Prinzip zu vermeiden. Sie erkannten,
dass die Schönheit eines Baues nicht allein in der gefällig ausgebildeten Construktion liege,
sondern dass gleich der schönen Oberfläche des menschlichen Körpers, in welcher der Knochen
bau sich verhüllt und doch sich ausspricht, die architektonische Form ein selbstständiges künst
lerisches Gebilde sei, das den Kern bekleidet und wie aus innerem Trieb die zu Grunde liegende
Gestalt zu freier Erscheinung bringen muss. Das ist die Wiedergeburt der Baukunst,
die Renaissance!
Bei Beginn der Renaissance bis zum Anfang des IG. Jahrhunderts nimmt man noch
das Suchen nach diesem Endziele der Baukunst wahr, in der Mitte des 16. Jahrhunderts, ins
besondere in Italien finden wir vollständige Harmonie von Hauptform und äusserer Hülle oder
Dekoration.
Gehen wir nun nach dieser Charakterisirung der Renaissance zu näherer Beleuchtung
unseres Lustliauses über und betrachten wir den gemischten Styl der Früh-Renaissance in
seinen Vorzügen und Schwächen etwas näher au diesem concreten Beispiele.
Zum richtigen Verständniss dieses Lusthauses müssen wir aber mit einem Bau beginnen,