Abb. 18.
GIEBELHAUS
deckendes, zurückgezogen; es hat sich verhüllt. Und wir können uns nicht all-
zuschwer vorstellen, daß z. B. Menschen, die sich als eine in sich gefestigte, auch
atwas geschlossene Persönlichkeit fühlen, mit Vorliebe ein Haus wünschen, das
ein solches Walmdach zeigt (Abb. 21). Wir dürfen dabei noch etwas weiter gehen,
und uns dafür Persönlichkeiten ausdenken, die auch durch ihre Bildung und ihren
Beruf eine gewisse Sonderstellung unter ihren Nebenmenschen eingenommen
haben. Dementsprechend finden wir Häuser mit solchen Walmdächern recht
häufig als Pfarrhäuser neben der Kirche (Abb. 22). Es mag schon sein, daß sie
von Klosterbauten und von den diesen verwandten Pfarrhäusern weiter ihren
Weg nahmen zu Bauten wieder derjenigen Menschen, die als Wohnung für ihre
Persönlichkeit solche bevorzugten. Aus der Praxis der Staatl. Beratungsstelle für
das Baugewerbe können aus den vielfachsten Beispielen auch solche aufgezeigt
werden, wo Bauherren sogar so weit gingen, lieber auf ein Eigenheim zu ver-
zichten, wenn ihnen der Bau eines Walmdaches versagt werden sollte. Derartige
krasse Fälle werden ja gerne einem gewissen schwäbischen Eigensinn zuge-
schrieben. Und wenn Stifter dafür die schöne Beruhigung ausgesprochen hat:
„Im Eigensinn liegt doch der eigne Sinn . .”, so glauben wir, muß eben im Walm-
dach die vorhin angeführte und nur ihm zustehende Charakteristik erkannt
werden. Das Luftbild von Kollfeld (Abb. 16) gibt einen recht aufschluß-
reichen Einblick in eine solche Ortsgestaltung. Gleichzeitig aber fließen uns aus
derartigen Erkenntnissen die besinnlichsten Gedanken für die Stellung der
Häuser einer Siedlung zu. Daß sie uns ganz von selbst von der geraden Häuser-
reihe wegführen, ist der beste und treffendste Beweis für die Richtigkeit unserer
Erkenntnisse. Daß sie uns dadurch aber aufs engste mit dem Menschen ver-
knüpfen, der in einem solchen Haus seine Wohnung schaffen möchte, macht
uns die architektonische Gestaltung wertvoll. Es mag schon sein, daß diese
Gedanken dadurch eine andere Bearbeitung der Häuser mit sich bringen.
Sie werden sich jedoch absolut nicht in einem Rückschritt ausleben (Abb. 23).
Wenn bisher nur das Walmdach als solches angeführt wurde, so geschah
dies aus seiner großen Bedeutung für das gesamte architektonische Ge-
stalten. In der Praxis wird eine Verbindung von Giebel und Walmdach ebenso
wichtig sein: der sogenannte Dachausbau.‘ Wird dieser in der richtigen Weise
gehandhabt, so führt er uns in verständnisvoller Art in die Anwendung dieses
Zwischengliedes ein. Erst von hier aus gewinnt eine Zeit, in der z. B. Dachaus-
bauten zuerst durch Vorschriften verboten waren, und eine ihr folgende, die
ADD. 19.
SIEBELHAUSGRUPPF